Das LG Kassel hatte über zwei Gesichtspunkte zu entscheiden, die derzeit bei der Quotenbildung nach dem "neuen" VVG in Lit. und Rspr. kontrovers erörtert werden: Den Einstieg in die Quotenbildung mit einem Mittelwert von 50 % und die sog. Mehrfachquotierung.
1. Das LG ist bei der Bildung der Kürzungsquote nach den §§ 28, 81 VVG in mehreren Schritten vorgegangen. Zuerst wurde folgerichtig jeweils eine separate Kürzungsquote für die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls nach § 81 VVG durch fehlendes Abschließen der Wohnungstür und dem Verlassen der Wohnung für knapp über 2 Stunden einerseits und die grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung durch fehlende Einreichung der Stehlgutliste anderseits nach § 28 Abs. 2 VVG bestimmt. Dabei ist das LG Kassel dem sog. "Mittelwertmodell" gefolgt und hat einen Einstieg in die Quotenbildung i.H.v. 50 % vorgenommen. Da keine der Parteien Umstände vorgetragen hätte, die ein Abweichen von dieser Quote rechtfertigen würden, hat das LG jeweils an dieser Kürzungsquote festgehalten.
a) Diese Vorgehensweise überzeugt weder im Ergebnis noch in der Begründung. Dabei kann letztendlich dahinstehen, ob mit einer Auffassung in der Lit. und Rspr. ein Einstieg bei 50 % vorgenommen wird und damit (wie augenscheinlich vom LG Kassel angewendet) eine Beweislastverteilung verbunden wird oder aber mit einer anderen Ansicht die Kürzungsquote sogleich ohne einen solchen Mittelwert, ggf. mit einer Beweislast allein auf Seiten des Versicherers, zu bilden ist. In jedem Fall hätte der Versicherungsnehmer im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast die in seinem Wissensbereich liegenden entlastenden Umstände schlüssig vorzutragen. Wenn dann unter Berücksichtigung der feststehenden Tatsachen, die ohnehin bereits eine grobe Fahrlässigkeit begründen, weiterhin ein Fall der durchschnittlichen Fahrlässigkeit anzunehmen ist, dann ist sicherlich eine Leistungskürzung i.H.v. 50 % angemessen. Dies darf aber nicht dazu führen, dass – wie hier durch das LG Kassel – davon abgesehen wird, den konkreten Einzelfall zu prüfen.
b) Bei der Quotenbildung bzgl. der Herbeiführung des Versicherungsfalls wäre zu berücksichtigen, dass mit einer Zeit von 16.00 – 18.15 Uhr für eine nicht abgeschlossene Eingangstür zwar die Schwelle zur groben Fahrlässigkeit erreicht sein dürfte, jedoch angesichts der zugezogenen Tür und fehlenden Erkennbarkeit des Fehlverhaltens kein besonders hoher Gefährdungsgrad gegeben war. Dies auch in Abgrenzung zu den Fällen eines gut erkennbar geöffneten Fensters, welches potenzielle Täter eher zum Einbruch verleiten mag. Unter Berücksichtigung dieser Abgrenzung wird in der Lit. für den typischen Fall der nicht abgeschlossenen Wohnungstür auch eine Kürzungsquote von 40 % bzw. 30–50 % vorgeschlagen. Diese Quote kann jedoch bei einer erheblichen Gefährdung unter Berücksichtigung des Wertes des gefährdeten Gutes auch erheblich ansteigen. Immerhin war der Wert des betroffenen Hausrats mit (mind.) 16.000 EUR durchaus hoch. Dessen ungeachtet scheint in Anbetracht aller Umstände eine Kürzungsquote von 50 % im oberen Bereich der schuldangemessenen Kürzung zu liegen.
c) Die Kürzungsquote wegen der verspätet eingereichten Stehlgutliste ist mit 50 % ebenfalls recht hoch angesetzt worden. Zwar mag mit der knapp über 3 Wochen nach dem Einbruch eingereichten Stehlgutliste eine grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung anzunehmen sein. Dabei wäre jedoch zugunsten des Versicherungsnehmers zu berücksichtigen, dass dieses Fehlverhalten im Grenzbereich zu der Annahme einer Obliegenheitsverletzung liegt. Auch weisen die betroffenen Gegenstände mit 16.000 EUR einen recht hohen Wert aus, sind aber noch nicht im denkbar obersten Bereich anzusetzen. Als Einstiegsquote für typische Fälle wird in der Lit. auch für diese Fallgruppe ein Wert von 40 % bzw. 30–50 % erörtert, dessen Überschreitung im vorliegenden Fall nicht überzeugt.
Zudem überrascht, dass das LG Kassel nicht der Möglichkeit des Kausalitätsgegenbeweises gem. § 28 Abs. 3 VVG nachgegangen ist, wobei allerdings hierzu auch ein Minimalsachvortrag des Klägers erforderlich gewesen wäre. Bei den betroffenen Schmuckstücken würde es ihm sicherlich schwerfallen, auszuschließen, dass bei diesen individualisierbaren Tatobjekten ein Fahndungserfolg der Polizei ausscheidet. Bei dem entwendeten Bargeld dürfte dies aber anders sein. Vorzugswürdig wäre es jedenfalls, vor einer Quotenbildung den Kausalitätsgegenbeweis zu prüfen und ggf. die Quotierung auf einen bestimmten Leistungsbetrag zu beziehen, der nach dem Kausalitätsgegenbeweis verbleibt.
2. Weniger überzeugt die Vorgehensweise des LG Kassel auch im Hinblick auf die anschließende Bildung einer Kürzungsquote aus beiden Fehlverhalten (sog. Mehrfachquotierung). Hier folgt das LG der Ansicht, wonach die beiden separat gebildeten Kürzungsquoten schlichtweg addiert werden. Dies läuft aber sehr schnell (wie auch in diesem Fall) im Ergebnis auf eine Wiederherstellung des All...