VVG a.F. §§ 16 ff.; 23 ff.
Leitsatz
Die Nachfrageobliegenheit, deren Verletzung dem Versicherer die Berufung auf eine Anzeigepflichtverletzung versagt, gilt auch für Direktversicherer.
Die Errichtung des Carports stellt in der Wohngebäudeversicherung keine Gefahrerhöhung dar.
Zur Einbeziehung eines nachträglich errichteten Carports in den Versicherungsschutz einer Wohngebäudeversicherung.
OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.6.2009 – 12 U 6/09 (rechtskräftig durch Beschl. des BGH v. 19.5.2010 – IV ZR 166/09)
Sachverhalt
Der Kläger begehrt die Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten aus einer Wohngebäudeversicherung. Für das bebaute Grundstück stellte der Kläger unter dem 13.2.2003 bei der Beklagten einen Antrag auf Abschluss eines Gebäudeversicherungsvertrages. Die Antragstellung erfolgte über den Makler G. In den Antragsschein wurden folgende handschriftliche Eintragungen gemacht: – unter der Rubrik: "Versichertes" wurde "Einfamilienhaus" angekreuzt, das Kästchen neben "Garage(n)/Carports" wurde freigelassen; – unter der Rubrik: "Bauart" wurde in das Feld hinter "Mauerwerk" das Wort "MASSIV" eingetragen, in das Feld hinter "Dachung" die Bezeichnung "HART"; – in das Feld hinter "Fertighausgruppe" wurde "II" eingetragen.
Zusammen mit dem Versicherungsantrag wurde seitens des Maklers dem Kläger ein zweiseitiges Merkblatt mit dem Titel "Wohngebäudeversicherung" vorgelegt. Auf jeder Seite des Merkblattes – wie auch des Antrags vom 13.2.2003 – befindet sich im unteren bzw. im oberen Bereich ein Eindruck der Firma "M" GmbH, einer Vermittlungsorganisation, der der Makler G angehört. Auf der zweiten Seite des Merkblatts befindet sich eine Übersicht zur Bauartklassen-Einteilung. Hierunter finden sich zwei Tabellen, die untere Tabelle ist mit "Fertighausgruppen (FHG)" überschrieben. Hierin ist zu lesen: "I. In allen Teilen – einschl. der tragenden Konstruktion – aus feuerbeständigen Bauteilen (massiv). II. Fundament massiv, tragende Konstruktion aus Stahl, Holz, Leichtbauteilen oder dergleichen, außen mit feuerhemmenden Bauteilen bzw. nicht brennbaren Baustoffen verkleidet (z.B. Putz, Klinkersteine, Gipsplatten, Asbestzement, Profilblech, kein Kunststoff. III. Wie FHG II, jedoch ohne feuerhemmende Ummantelung bzw. Verkleidung."
Im Jahre 2004 wurde mit behördlicher Genehmigung neben dem Einfamilienhaus ein Carport errichtet. Der Aufwand lag unter MK 3.000. 2007 kam es aus ungeklärter Ursache zu einem Brand, der im Bereich des Carports ausbrach.
2 Aus den Gründen:
" … A. Ein Rücktrittsrecht der Beklagten von der Gebäudeversicherung gem. § 10 Abs. 1 VGB (88) i.V.m. §§ 16, 17, 20 VVG a.F. besteht nicht."
Zwar sind die Eintragungen im Antragsformular zu den Angaben der Fertighausgruppe II tatsächlich falsch. Das streitgegenständliche Holzhaus ist wegen der vorgehängten Holzverschalung nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht in Fertighausgruppe II einzuordnen. Der Senat nimmt auf die zutreffenden Ausführungen des LG Bezug. Ob in diesem Zusammenhang sich der Kläger tatsächlich – wie das LG meint – das Verschulden des Maklers G zurechnen lassen muss, erscheint hier fraglich. Richtig ist eine solche Zurechnung bei einem gewöhnlichen Vertrag, in welchem der Makler damit betraut wird, für ein bestimmtes Risiko einen Versicherer zu finden. Im vorliegenden Fall aber könnte der Makler, dessen den Versicherungsschutz modifizierende Bedingungen Teil des Angebots des beklagten Versicherers sind, möglicherweise dem Lager der Beklagten zuzurechnen sein. Die Frage bedarf hier jedoch keiner abschließenden Beantwortung.
Der Beklagten steht nämlich kein Recht zum Rücktritt zu, weil sie die gebotene Risikoprüfung unterlassen hat.
Nach st. Rspr. des BGH muss der Versicherer beim Versicherungsnehmer nachfragen, wenn dieser bei Antragstellung ersichtlich unvollständige oder unklare Angaben macht. Denn die dem Versicherer obliegende ordnungsgemäße Risikoprüfung, die die Schaffung klarer Verhältnisse in Bezug auf den Versicherungsvertrag schon vor Vertragsschluss gewährleisten soll und deshalb nicht auf die Zeit nach Eintritt des Versicherungsfalls verschoben werden darf, kann auf Grund unvollständiger und unklarer Angaben nicht erfolgen. Dies gilt – entgegen der Auffassung der Beklagten – auch für den Direktversicherer. Es ist Angelegenheit des Versicherers, wie er sich organisiert und seine Strukturen hinsichtlich des Vertriebs gestaltet. Von der Pflicht zur sorgfältigen Risikoprüfung kann er sich durch organisatorische Maßnahmen nicht entbinden. Unterlässt der Versicherer eine ihm nach den vorgenannten Grundsätzen obliegende Rückfrage und sieht er insoweit von einer ordnungsgemäßen Risikoprüfung ab, so ist es ihm im Weiteren nach Treu und Glauben verwehrt, gestützt auf die Unvollständigkeit der Angaben des Versicherungsnehmers wirksam vom Versicherungsvertrag zurückzutreten (BGH VersR 1993, 871; BGHZ 117, 385; NJW-RR 2008, 979). So liegt der Fall hier.
Unabhängig von der im zweiten Rechtszug aufgeworfenen Frage, ob der Beklagten das Antragsformular mit dem handschriftlichen Zusatz “Infos...