BGB § 249
Leitsatz
Wird bei einem Verkehrsunfall eine gebrauchte Brille beschädigt, ist vom Neupreis der Brille ein Abzug neu für alt vorzunehmen. Der Abschreibungsbetrag ist durch lineare Abschreibung zu ermitteln, wobei von einer Nutzungsdauer der Brille von 5 Jahren auszugehen ist.
(Leitsatz der Schriftleitung)
LG Augsburg, Urt. v. 28.6.2012 – 033 O 1254/11
Sachverhalt
Der Kl. machte nach einem Verkehrsunfall u.a. den Neupreis einer nach seiner Darstellung bei dem Unfall beschädigten Brille geltend, die er 15 Monate zuvor für 425,05 EUR gekauft hatte. Die beklagte Haftpflichtversicherung des Schädigers zahlte 320 EUR und trat der Forderung nach dem Differenzbetrag von 105 EUR mit der Begründung entgegen, die Kl. müsse sich einen Abzug neu für alt von 105 EUR gefallen lassen. Dem folgte das LG.
2 Aus den Gründen:
“ … a) Ein Anspruch auf den Differenzbetrag der Brille besteht gem. § 249 Abs. 2 BGB nicht, da sich die Kl. einen Abzug neu für alt anrechnen lassen muss und der bereits bezahlte Betrag i.H.v. 320 EUR nach Schätzung des Gerichts angemessen ist. Da kein weitergehender Anspruch der Kl. gegeben ist, war auch nicht entscheidungsrelevant, dass die Bekl. die Zerstörung der Brille mit Nichtwissen bestritt.
Eine Schadensbemessung nach dem Wiederbeschaffungswert scheidet aus, wenn gleichwertige gebrauchte Sachen nicht erhältlich sind oder diese Art der Ersatzbeschaffung wegen Unzumutbarkeit nicht in Betracht kommt. Hier kann der Schaden in der Regel nur durch Anschaffung neuer Sachen beseitigt werden. In diesem Fall ist vom Neupreis ein Abzug neu für alt zu machen (Palandt, 71. Aufl., § 249 Rn 20). Zudem soll der Geschädigte am Schaden nicht verdienen (Palandt, 71. Aufl., § 249, Rn 21).
Eine gleichwertige gebrauchte Sache ist nicht erhältlich und diese Art der Ersatzbeschaffung kommt auch nicht in Betracht. Allerdings musste sich die Kl. vom Neupreis einen Abzug neu für alt anrechnen lassen, da Mode- und Komfortelemente der Abnutzung unterliegen.
Da dem Gericht eine Rechnung der Kl. über eine Fernbrille vom September 2007 vorliegt, die einen Rechnungsbetrag i.H.v. 425,05 EUR ausweist, schätzt das Gericht gem. § 287 Abs. 1 ZPO nach Abzug neu für alt einen zu ersetzenden Betrag i.H.v. 320 EUR für angemessen. Der Abzug ist i.d.R. durch Abschreibung zu ermitteln. Bei Gegenständen des persönlichen Gebrauchs und Hausrats führt eine lineare Abschreibung zu angemessenen Ergebnissen (Palandt, 71. Aufl., § 249 Rn 20). Das Gericht geht davon aus, dass eine Brille eine Nutzungsdauer von ca. 5 Jahren hat, sodass die hier gekaufte Brille pro Jahr eine Abschreibung von ca. 85 EUR hat, die Kl. konnte die Brille ca. 1,25 Jahre nutzen, was einen Abzug neu für alt von ca. 105 EUR rechtfertigt. Diesen Abzug nahm die Bekl. vor.“
Mitgeteilt von RA Oskar Riedmeyer, München
3 Anmerkung:
Ob bei einer Ersatzbeschaffung einer bei einem Unfall beschädigten Brille eine Kostenbeteiligung des Geschädigten wegen des Abzugs neu für alt anzunehmen ist, bestimmt sich nach den sinngemäß geltenden Regeln der Vorteilsausgleichung. Direkt übertragbar sind die Regeln der Vorteilsausgleichung nicht, da sie voraussetzen, dass das schädigende Unfallereignis zugleich eine Vermögensvermehrung des Geschädigten zur Folge hatte, das Problem des etwaigen Ausgleichs durch Zuzahlung des Geschädigten erst durch die nicht aufschiebbare Bedarfsdeckung des Geschädigten, die Neuanschaffung der Brille, entstanden ist (vgl. Schiemann, Schadensersatzrecht, 3. Aufl., S. 261).
1. Ob die Ersatzpflicht des Schädigers auf Erstattung der Kosten einer Neuanschaffung durch Begründung einer Zuzahlungspflicht gemindert wird, ist schon deshalb zweifelhaft, weil eine mit dem Einsatz der neuen Brille verbundene Vermögensmehrung nur in Ausnahmefällen vorliegt (verneinend AG Montabaur zfs 1998, 132; Palandt-Grüneberg, BGB, 72. Aufl., Vorbem. vor § 249 Rn 98). Wie bei einer Zahnprothese, bei deren Ersatz ebenfalls keine Zuzahlungspflicht des Geschädigten besteht (vgl. OLG Frankfurt VersR 1979, 38; LG Hanau DAR 1999, 365; AG Landshut NJW 1990, 1537), unterliegt eine Brille kaum einer Abnutzung, sodass ein geminderter Gebrauchswert nicht anzunehmen ist. Etwas anderes gilt dann, wenn eine Neuanfertigung einer Brille wegen Sehstärkenänderung oder wegen einer Vorschädigung der schließlich bei dem Unfall vollends zerstörten Brille anzunehmen ist (vgl. auch LG Münster NZV 2012, 302, 303).
2. Zusätzlich ist die Zuzahlungspflicht des Geschädigten eine unzumutbare Belastung. Zwar mag die planwidrige Belastung des Geschädigten mit einer Ausgabe, der Neuanschaffung der Brille, im Allgemeinen noch nicht unzumutbar sein (vgl. auch BGH NJW 1959, 1079). Allerdings ist ein dem Geschädigten aufgezwungener Wertausgleich jedenfalls dann nicht zuzumuten, wenn er nicht in der Lage ist, die Mehrkosten der Neubeschaffung zu tragen (LG Münster a.a.O.; Staudinger-Schiemann, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Neubearbeitung 2009, Rn 333).
3. Da der Geschädigte aus medizinischen Gründen auf einen Neuerwerb einer Brille angewiesen war und er wegen Fehlens eines Gebrau...