1. Die Entscheidung fasst die in der Rspr. an das Erfordernis der Berufungsbegründung gestellten Anforderungen zusammen. Zweck der Berufungsbegründung ist es in erster Linie, eine Zusammenfassung und Beschränkung des Prozessstoffs zweiter Instanz zu erreichen, insb. zu verhindern, dass der Rechtsstreit in vollem Umfang neu verhandelt werden muss (vgl. BGH NJW 1999, 3126; BGH NJW 1999, 3269). Der Berufungsführer wird gezwungen, sich mit dem angefochtenen Urt. im Einzelnen kritisch auseinander zu setzen, indem er sein Vorbringen erster Instanz neu zusammenfasst (vgl. BGH NJW 1988, 827). Dafür reichen pauschale Formulierungen und floskelhafte Wendungen, wie etwa "Die Entscheidung ist in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend", "Diese Rechtsansicht des Einzelrichters ist bedenklich", "Die Beweiswürdigung ist unzureichend", nicht aus (vgl. Oberheim, Taktik im Zivilprozess, 5. Aufl., Rn 3243).

2. Bei der Abfassung der Berufungsbegründung muss der Berufungsführer eine eigene und neue Darstellung der Gründe anführen, aus denen er die Unrichtigkeit und Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil hergeleitet wissen will. Damit genügt zunächst nicht die Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen (vgl. BGH FamRZ 1993, 46; Fischer, NJW 1995, 535 und 623). Vielmehr muss der Berufungsführer für jeden prozessualen Anspruch, für jede materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage im Einzelnen darlegen, welche Tatsachenfeststellung, Beweiswürdigung oder rechtliche Schlussfolgerung er beanstandet (vgl. BGH NJW 1968, 396; BGH NJW 1971, 807). Allerdings wird es als zulässig erklärt, dass kurze, auf wesentliche Gesichtspunkte beschränkte Ausführungen in der Berufungsschrift genügen (vgl. BGH VersR 1980, 508). Gemildert wird diese Begründungslast dadurch, dass ein einziger wirksamer Berufungsangriff genügt. Wird ein Angriff gegen den Streitgegenstand geführt, ist die materiell-rechtliche Prüfung unbeschränkt möglich, ohne dass das BG nur auf den vorgetragenen Berufungsgrund beschränkt wäre (vgl. § 529 Abs. 2 S. 2 ZPO; BGH NJW 1994, 1656; Oberheim, a.a.O. Rn 3240). Das Erfordernis der eigenständigen Berufungsbegründung, abgefasst durch den Berufungsführer, verbietet es auch, dass ohne Auseinandersetzung mit diesem auf ein Gutachten Bezug genommen wird. Das stellt eine unzulässige Bezugnahme auf die Ausführungen Dritter dar. Vielmehr muss der Text der Berufungsbegründung von einem zugelassenen Anwalt stammen und den Schluss rechtfertigen, dass dieser nach Durcharbeitung des Prozessstoffs die einzelnen aufgeführten Anfechtungsgründe persönlich dem Gericht vorträgt (vgl. BGH NJW-RR 1994, 569).

3. Bei dem Erfordernis der Berufungsbegründung handelt es sich um eine Zulässigkeitsvoraussetzung der Berufung (vgl. § 519b Abs. 1 ZPO). Das hat zur Folge, dass es auf die "Stichhaltigkeit" der in der Berufungsbegründung aufgeworfenen Bedenken gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht ankommt. Die Schlüssigkeit des Berufungsangriffs ist nicht erforderlich (vgl. BGH NJW 1999, 3784), da das Erfordernis der Berufungsbegründung lediglich Sachurteilsvoraussetzung der Berufung ist. Würde die Schlüssigkeit der Berufungsbegründung Wirksamkeitserfordernis der Berufung sein, wäre die unschlüssige Berufung zugleich unzulässig, was mit der Trennung von Zulässigkeit und Begründetheit der Berufung unvereinbar wäre.

RiOLG a.D. Heinz Diehl

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