PflVG in der Fassung vom 10.7.2002 (BGBI. I 2568)
Leitsatz
1. Beweiserleichterungen kommen dem angeblich nach § 12 PlfVG Geschädigten hinsichtlich der Schadenszufügung durch ein unbekannt gebliebenes Fahrzeug nicht zugute. Damit reicht die eigene Unfalldarstellung des angeblich Geschädigten für eine Inanspruchnahme des Entschädigungsfonds nicht aus.
2. Fehlen objektive Spuren, die auf die Beteiligung eines unbekannt gebliebenen Fahrzeugs als Unfallverursacher hinweisen (Lackspuren, Schleuderspuren, Fahrspuren) wird der Beweis der Voraussetzungen des § 12 PflVG kaum geführt werden können.
3. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein anderer als der von dem angeblich Geschädigten geschilderte Unfallhergang schlechthin ausgeschlossen ist.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Stuttgart, Urt. v. 14.2.2012 – 12 U 155/11
Sachverhalt
Der Kl. macht gegen den beklagten Entschädigungsfonds gem. § 12 PflVG Schadensersatzansprüche nach einem Unfall geltend, bei dem der angebliche Unfallverursacher nicht ermittelt werden konnte. Der Kl. geriet als Führer eines Sattelzugs mit Anhänger auf der BAB auf schneeglatter Fahrbahn ins Schleudern, durchbrach mit dem Fahrzeug die Mittelleitplanke und kollidierte auf der Gegenfahrbahn mit einem entgegen kommenden Lastzug. Dabei wurde das Führerhaus des vom Kl. gelenkten Sattelzugs abgerissen und der Kl. eingeklemmt, wodurch er nicht unerhebliche Verletzungen erlitt. Noch im eingeklemmten Zustand äußerte der Kl. gegenüber eintreffenden Polizeibeamten, er habe einem überholenden und dabei nach rechts schleudernden Pkw ausweichen wollen, sein Fahrzeug nach links gelenkt und sei deshalb mit dem Sattelzug ins Schleudern geraten. Das Ermittlungsverfahren ergab keine Spuren, die für eine Fremdbeteiligung am Unfall sprachen; der Fahrtenschreiber des Sattelzugs wurde nicht aufgefunden. Der gegenüber dem Bekl. von dem Kl. gestellte Entschädigungsantrag, zu dessen Begründung der Kl. behauptet hatte, der Unfall sei durch einen schleudernden Pkw, dem er habe ausweichen wollen, verursacht worden, wurde zurückgewiesen. Ein im Entschädigungsverfahren eingeholtes Gutachten ergab, dass sich die Angaben des Kl. aus technischer Sicht nachvollziehen lassen. Der Bekl. bestritt, dass ein Unbekannter am Unfall beteiligt gewesen sei.
Das LG hat den Anspruch des Kl. auf Zahlung von Schmerzensgeld und Ersatz des Verdienstausfalls dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung des Bekl., die auf seine erstinstanzliche Darstellung gestützt wurde, war erfolgreich.
2 Aus den Gründen:
“ … B. Die zulässige Berufung des Bekl. ist begründet.
Dem Kl. steht schon dem Grunde nach weder ein Schadensersatz- noch ein Schmerzensgeldanspruch zu, weil er nicht beweisen konnte, dass die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 PflVG a.F. vorliegen.
I. Festzustellen ist zunächst, dass § 12 Abs. 1 PflVG in der vorherigen Fassung anzuwenden ist, weil sich das Unfallereignis bereits am 24.1.2007 und daher noch vor Gültigkeit der aktuellen Fassung des § 12 Abs. 1 PflVG ab 18.12.2007 ereignet hat.
II. Gem. § 12 Abs. 1 Nr. 1 PflVG a.F. hat derjenige, der durch den Gebrauch eines Kfz einen Personenschaden erleidet, dann einen Entschädigungsanspruch gegen den Bekl., wenn das den Unfall verursachende Fahrzeug nicht ermittelt werden kann.
Dass der Unfall durch ein unbekannt gebliebenes Fahrzeug verursacht wurde, hat der Geschädigte dabei nach Maßgabe von § 286 ZPO zu beweisen.
Beweiserleichterungen kommen ihm nicht zugute, auch wenn er sich angesichts des unbekannt gebliebenen anderen Fahrzeugführers in besonderer Beweisnot befindet (Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung, 3. Aufl. 2009, § 12 PflVG Rn 40, Bruck/Möller/Johannsen, VVG, 8. Aufl., 1993, Anm. B 106).
Grund hierfür ist, dass solche Erleichterungen Missbrauchsmöglichkeiten eröffnen würden, die den beklagten Entschädigungsfonds in seinem Bestand gefährden könnten (Deiters, VersR 1986, 213).
Daher reicht nach ganz allgemeiner Auffassung allein die eigene Unfalldarstellung des Geschädigten für eine Inanspruchnahme des Bekl. nicht aus (Feyock, a.a.O., § 12 PflVG, Rn 43, vgl. auch Sieg, VersR 1970, 681, 685 f.).
Vielmehr bedarf es darüber hinausgehender objektiver Anhaltspunkte, die auf die Beteiligung eines fremden Fahrzeugs schließen lassen, es sei denn die Darstellung des Geschädigten ist derart zwingend, dass das Gericht zu der Überzeugung kommt, dass es gar nicht anders gewesen sein kann (Sieg, a.a.O., 686).
An irgendwelchen objektiven Spuren, die auf die Beteiligung eines unbekannt gebliebenen Fahrzeugs hinweisen, fehlt es hier.
Keiner der vernommenen Unfallzeugen hat den schleudernden Pkw wahrgenommen. Lackspuren des angeblichen Fremdfahrzeugs sind mangels Fahrzeugberührung nicht vorhanden. Schleuderspuren außerhalb der Fahrbahn fanden sich nicht. Fahrspuren, die auf ein Schleudern des überholenden Pkw hätten schließen lassen, konnten trotz schneebedeckter Fahrbahn nicht festgestellt werden, nachdem bis zum Eintreffen der Polizei bereits zahlreiche andere Kfz die Unfallstelle passiert und mögliche Spuren vernichtet hatten. Mit wel...