Die Entscheidung nimmt an, das Versicherungsverhältnis ende mit der Zahlung einer befristeten Kulanzleistung eines Berufsunfähigkeitsversicherers in Höhe der Berufsunfähigkeitsrente.
Das ergibt sich weder aus den MB/KT (§ 15 Abs. 1b) noch aus den Tarifbedingungen des konkreten VR, die – wie es üblich ist – neben dem in den MB/KT genannten Beendigungstatbestand der Berufsunfähigkeit auch jenen des Bezuges einer Berufsunfähigkeitsrente vorsehen. Das OLG entnimmt – aus dem Blickwinkel eines "durchschnittlichen VN" – die Gleichstellung einer Kulanzleistung indessen einer "verständigen Auslegung". Das entspricht grds. der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Karlsruhe NJW-RR 2006, 1741; OLG Köln NJW-RR 2003,810) und scheint dem Sinn der MB/KT-Versicherung gerecht zu werden, einen parallelen Bezug von Krankentagegeld und Berufsunfähigkeitsrente zu vermeiden.
Dagegen bestehen indessen gerade im Streitfall gewichtige Bedenken, denen sich die Entscheidung nicht widmet. Zunächst stellt eine "Kulanzleistung" keine Leistung einer Berufsunfähigkeitsrente dar. Rechtsgrund ist allein eine Kulanzabrede. Sie bewegen sich außerhalb des Vertragsregimes, wie das OLG an einer Stelle, an der es auf eine im Streitfall gar nicht vorliegende "außervertragliche Vereinbarung" Bezug nimmt, im Ansatz erkennt und finden ihre "causa" eben in der Kulanzabrede, der zugleich ein Ausschluss späterer Rückforderung immanent ist.
Entscheidend ist aber, dass die streitigen TB für den Fall des Bezuges einer Berufsunfähigkeitsrente aufgrund vermuteter Berufsunfähigkeit ausdrücklich keine Beendigung des Krankentagegeldbezuges vorsehen, die unerwünschte Parallelität von Tagegeld und Rente also gerade für den vermutlich größten Teil aller Fälle zulassen. Mit der schlichten Behauptung, eine Kulanzleistung sei eben keine Leistung wegen vermuteter Berufsunfähigkeit, kann das nicht verworfen werden. Denn gerade durch das System der TB, das bei der Auslegung zu berücksichtigen ist, wird der wirklich verständige VN verunsichert und ist eine jedenfalls nicht so ganz klare Rechtslage anzunehmen, was zu seinen Gunsten berücksichtigt werden muss. Das zeigt eine Kontrollüberlegung: Hätte der VN die Leistung des VR nicht als Kulanz akzeptiert, sondern wegen einer möglicherweise seit 6 Monaten bestehenden Berufsunfähigkeit (immerhin scheint der Berufsunfähigkeitsversicherer eine neunmonatige Berufsunfähigkeit für nicht ganz ausgeschlossen betrachtet zu haben), hätte er die Feststellung der (unter Umständen befristeten) Leistungspflicht des Berufsunfähigkeitsversicherers zur Rentenleistung nach § 2 Abs. 3 BUZ begehren können. Hätte er Erfolg gehabt, wäre ihm der Krankentagegeldanspruch erhalten geblieben. Hätte er keinen Erfolg gehabt, hätte sich die Kulanzleistung jedenfalls nicht als Rentenleistung auf der Grundlage von Berufsunfähigkeit erwiesen.
Das zeigt m.E.: Durch die der Produktanpreisung dienende Beschränkung der Beendigungstatbestände der TB werden Fragen aufgeworfen, die keineswegs so eindeutig zu beantworten sind, wie die abgedruckte Entscheidung meint.
Prof. Dr. Roland Rixecker, Institut für Deutsches und Europäisches Versicherungsrecht der Universität des Saarlandes
zfs 1/2019, S. 35 - 38