StVG § 24a Abs. 1;OWiG § 10
Leitsatz
1. Die Tatsache, dass der Alkoholkonsum längere Zeit zurückliegt, lässt den Fahrlässigkeitsvorwurf nicht entfallen.
2. Das Tatgericht muss zugunsten des schweigenden Betr. nicht von dem völlig unwahrscheinlichen Fall einer unbewussten Alkoholaufnahme ausgehen.
3. Ist ein Grenzwert des § 24a Abs. 1 StVG erreicht, bedarf das Urteil in der Regel keiner Ausführungen zu Art und Umfang der Alkoholaufnahme (entgegen OLG Hamm Blutalkohol 39, 123).
KG, Beschl. v. 31.7.2018 – 3 Ws (B) 188/18-122 Ss 88/18
1 Aus den Gründen:
"… Die Rechtsbeschwerde der Betr. gegen das Urteil des AG Tiergarten vom 10.4.2018 wird nach §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO verworfen. Der Schriftsatz der Verteidigerin vom 30.7.2018 lag vor, gab aber keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung."
Allerdings ist der Rechtsbeschwerde zuzugeben, dass die vom OLG Hamm am 27.7.1999 erlassene Entscheidung (Blutalkohol 39, 123) verlangt, dass die Verurteilung wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG Feststellungen zu der Frage erfordert, “aufgrund welcher konkreten Umstände der Betr. voraussehen konnte, dass infolge seines Verhaltens die einschlägige Norm tatbestandsmäßig verwirklicht wurde' (juris-Orientierungssatz). Im Entscheidungstext heißt es:
Zitat
“Aus der festgestellten Blutalkoholkonzentration von 0,95 Promille kann ohne weitere Feststellungen nicht auf eine fahrlässige Tatbestandsverwirklichung des Betr. geschlossen werden. Wenn nämlich dieser Wert etwa auf dem Vorhandensein von Restalkohol nach länger zurückliegendem Trinkende und längerer Eliminationsphase beruht, was hier aufgrund der fehlenden Feststellungen nicht ausgeschlossen werden kann, bedarf es ebenfalls noch der Darlegungen zusätzlicher konkreter Umstände zur Annahme fahrlässiger Tatbegehung. Schließlich lässt sich angesichts der Feststellungen auch eine unbewusste Alkoholaufnahme des Betr. nicht ausschließen. Bei einer solchen schiede eine Bestrafung möglicherweise aus.'
Der Senat folgt dem OLG Hamm insoweit nicht. Insbesondere muss das Tatgericht zugunsten des (schweigenden) Betr. nicht von dem völlig unwahrscheinlichen Fall einer unbewussten Alkoholaufnahme ausgehen. Der vom OLG Hamm angenommenen Bewertung, auch ein länger zurückliegender Alkoholkonsum könne den Fahrlässigkeitsvorwurf entfallen lassen, folgt der Senat gleichfalls nicht. Vielmehr gelten die vom BGH im Falle länger zurückliegenden Cannabiskonsums aufgestellten Grundsätze eines umfassenden Fahrlässigkeitsvorwurfs (vgl. BGHSt 62, 42; vgl. auch Senat VRS 127, 244) erst recht für den Konsumenten von Alkohol, zumal sich dieser vergleichsweise linear und damit für den Kraftfahrer vorherseh- und berechenbar abbaut.
Einer Vorlage an den BGH bedurfte es nicht. Denn die vorgenannten Überlegungen des OLG Hamm bewertet der Senat als nicht tragend. Anders als im hier zu entscheidenden Fall enthielt das vom OLG Hamm überprüfte Urteil bereits keinerlei Feststellungen zur inneren Tatseite, so dass die weiteren Ausführungen, welcher Art die Feststellungen sein müssten, überschießend und nicht tragend waren. Das hier angefochtene Urteil hingegen weist aus: “Die Betr. hätte bei sorgfältiger Selbstkontrolle erkennen können, dass die Menge an konsumiertem Alkohol einen Wert von 0,25 mg/l Atemalkoholkonzentration überschreiten würde.' Die vom OLG Hamm (a.a.O.) darüber hinaus, aber nicht tragend verlangten Feststellungen (“Art und Umstände der Alkoholaufnahme') sind nach Auffassung des Senats nicht erforderlich. In dieser Einschätzung sieht sich der Senat zusätzlich bestätigt durch die zu den Urteilsessentialia bei § 21 StVG ergangene Grundsatzentscheidung des BGH vom 27.4.2017 (vgl. BGHSt 62, 155).
Die Betr. hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 S. 1 StPO).“
2 Anmerkung:
Die Entscheidung harmonisiert die Anforderungen an die Feststellung einer fahrlässigen Verwirklichung des Verstoßes gegen § 24a StVG für alle relevanten Rauschmittel i.S.d. Rechtsprechung des BGH. Damit steht fest, dass auch bei Alkoholfahrten der Betr. nicht schweigen und sich auf einen nur möglichen, aber unwahrscheinlichen Geschehensablauf stützen kann, um den Fahrlässigkeitsvorwurf zu entkräften.
RiAG Dr. Benjamin Krenberger
zfs 1/2019, S. 52 - 53