VVG § 192; MB/KK 2009 § 1; Tarifbestimmungen B Nr. 2.4
Leitsatz
1. Zur Erstattungsfähigkeit von Kosten für die Wartung eines Hilfsmittels (hier eines computergesteuerten Kniegelenks einer Beinprothese) in der privaten Krankheitskostenversicherung.
2. Ist für den sicheren Betrieb einer Beinprothese die Wartung des Kniegelenks notwendig, können die Kosten für deren Vornahme Teil der zu erstattenden Behandlungskosten sein.
(Leitsatz 2 der Schriftleitung)
BGH, Urt. v. 7.11.2018 – IV ZR 14/17
1 Sachverhalt
Der Kl., dessen linkes Bein am Oberschenkel amputiert ist, trägt seit Mai 2013 eine Beinprothese, die mit einem computergesteuerten Kniegelenk im Wert von über 40.000 EUR ausgestattet ist. Er fordert von R, seinem privaten Krankenversicherer, die Erstattung anlässlich der Wartung des Kniegelenks entstandener Kosten.
Im zwischen den Parteien vereinbarten Tarif heißt es:
"Erstattungsfähig sind die Kosten für technische Mittel, die körperliche Behinderungen unmittelbar mildern oder ausgleichen sollen."
"Das sind: (…) Arm- und Beinprothesen (…)."
Mit dem Erwerb der Prothese im Mai 2013 war eine dreijährige Herstellergarantie für das Kniegelenk verbunden. Nach den Herstellervorgaben für das Gelenk war u.a. zur "Aufrechterhaltung der Betriebssicherheit und Garantie" nach 24 Monaten eine Service-Inspektion erforderlich. Diese ließ der Kläger im Sommer 2015 in der Weise durchführen, dass das Kniegelenk von seiner Orthopädiewerkstatt aus der Prothese ausgebaut, an den Hersteller zur Inspektion versandt und nach Rücksendung von der Orthopädiewerkstatt wieder eingebaut wurde. Dabei wurde auch ein sog. Gel-Liner mit Distalanschluss ausgewechselt, der der Verbindung zwischen dem Prothesenschaft und dem Beinstumpf dient und für den passgerechten Halt der Prothese sorgt, indem er den Beinstumpf in gleichmäßiger Form hält und Druckstellen vermeidet. der Kl. Verlangt Erstattung der hierfür in Rechnung gestellten Beträge.
2 Aus den Gründen:
"… [16] 1. Ihm (dem BG, Anm. der Redaktion) kann nicht darin gefolgt werden, dass den hier in Anspruch genommenen Leistungen kein Versicherungsfall zugrunde liegt. Das offenbart vielmehr ein grundlegendes Missverständnis des Leistungsversprechens aus § 1 MB/KK 2009."
[17] a) Nach § 1 Abs. 2 MB/KK 2009 ist der Versicherungsfall die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung; er endet, wenn nach medizinischem Befund Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr besteht.
[18] Das BG verkennt, dass hierbei nicht auf das Erfordernis, eine Beinprothese in gewissen Zeitintervallen zu warten, abzustellen ist, sondern darauf, dass das linke Bein des Kl. am Oberschenkel amputiert ist. Darin liegt die behandlungsbedürftige körperliche Beeinträchtigung. Dieser Versicherungsfall ist auch nicht nach der Erstversorgung des VN mit einer Beinprothese abgeschlossen, sondern dauert infolge des irreparablen Beinverlustes nach § 1 Abs. 2 MB/KK 2009 lebenslänglich fort.
[19] b) Die aufgrund ärztlicher Verordnung erfolgte Versorgung eines beinamputierten VN mit einer Beinprothese ist – wie der Senat bereits in seinem ebenfalls den Fall des Klägers betreffenden Urteil vom 24.6.2015 (r+s 2015, 405 Rn 13) ausgesprochen hat – medizinisch notwendig i.S.v. § 1 Abs. 2 der hier vereinbarten Krankheitskostenversicherungsbedingungen. Die dafür erforderlichen Kosten sind nach B Nr. 2.4 des vereinbarten Tarifs zu erstatten, soweit das eingesetzte Hilfsmittel in der dortigen Hilfsmittelliste benannt ist.
[20] 2. Das ist hier der Fall.
[21] a) B Nr. 2.4 des Tarifs bezeichnet Beinprothesen als technische Mittel, deren Kosten erstattungsfähig sind. Da sich die knapp gefasste Hilfsmittelliste des Tarifs auf wenige Gattungsbezeichnungen ("Sehhilfen, Arm- und Beinprothesen, Einlagen oder maßgefertigte orthopädische Schuhe, Gummistrümpfe, Hörgerät, Sprechhilfe, Kunstaugen, Schienenapparate, handbetriebener Krankenfahrstuhl, Umstandsleibbinden") beschränkt und anders als etwa das in der gesetzlichen Krankenversicherung gebräuchliche Hilfsmittelverzeichnis (vgl. § 139 SGB V) keine weitergehende Aufschlüsselung dieser Hilfsmittel enthält, wird der durchschnittliche VN, auf dessen Verständnismöglichkeiten es bei der Auslegung der Tarifbedingung ankommt, den Begriff der Beinprothese so verstehen, dass damit alle Teile gemeint sind, die in ihrer Gesamtheit die Beinprothese bilden und deren bestimmungsgemäße Nutzung als Körperersatzstück ermöglichen. Hierzu zählt auch der ausgetauschte Gel-Liner, der die Verbindung der Prothese mit dem verbliebenen Oberschenkelstumpf gewährleisten soll und daher nach dem Verständnis des juristisch nicht vorgebildeten durchschnittlichen VN einen Teil der Beinprothese bildet.
[22] b) Anders als der Bekl. meint, beschränkt sich sein in § 1 Abs. 3 MB/KK 2009 i.V.m. B Nr. 2.4 des Tarifs gegebenes Leistungsversprechen nicht auf die reinen Anschaffungskosten einer Beinprothese, sondern erfasst auch Kosten, die für die Aufrechterhaltung der bestimmungsgemäßen Funktion und den...