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In Kürze:
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Das LG Darmstadt hat gestützt auf die Argumente des VII. ZS des BGH – VII ZR 46/17, Urt. v. 22.2.2018, in Rechtsprechung und Literatur eine Diskussion eingeleitet, ob eine Abrechnung des Schadensersatzanspruchs auf fiktiver Grundlage auch im Deliktsrecht weiterhin möglich bleiben soll. Beobachtet man die bisherigen Stimmen in Literatur und Rechtsprechung, scheint der Diskurs bereits beendet. Die Fragestellung der Änderung der fiktiven Abrechnung wird dennoch Gegenstand des VGT im Januar 2020 in Goslar sein.
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Kann also mit einer Änderung der Rechtsprechung des BGH gerechnet werden? Oder wird die Rechtsprechung zu § 249 BGB auch durch den BGH lediglich fortentwickelt werden? Oder bleibt alles beim Alten? Dies soll hier besprochen werden.
A. Einleitung
Zuletzt hatte der VI. Senat des BGH mit Urt. v. 25.9.2018 – VI ZR 65/18 –, Rz 6, juris, und 22.1.2019 über Fälle zur fiktiven Abrechnung entschieden. Auch die eigene Berufungskammer des LG Darmstadt, das OLG Frankfurt, hat sich eindeutig im Lichte der bisherigen BGH-Rechtsprechung positioniert und folgerichtig die Entscheidung des LG Darmstadt aufgehoben.
Bereits an dieser Stelle könnte der Aufsatz somit enden. Die Rechtsprechung des BGH ist eindeutig.
Auch ist diese letzte Entscheidung zu einem Zeitpunkt ergangen, als die Entscheidung des LG Darmstadt bereits in der Welt war. Hat der VI. Senat dies übersehen oder kann man nicht vielmehr davon ausgehen, dass der BGH eine Änderung zur § 249 BGB nicht beabsichtigt? Die Anmerkung Offenlochs, "vielleicht ein Signal, wohin die Reise gehen könnte", lässt diesen Schluss zu.
Um es vorweg zu nehmen: Eine Änderung der Rechtsprechung des BGH zu § 249 BGB hin zur Aufgabe einer fiktiven Abrechnung wird es nicht geben.
Den vom LG Darmstadt und anderen Gerichten vorgehaltenen berechtigten Einwand von überkompensatorischen Abrechnungen insb. im fiktiven Bereich gibt es zwar, und er ist jedem, der sich mit dieser Materie befasst, sicher schon begegnet. Jedoch hat der Gesetzgeber die fiktive Abrechnung spätestens durch die Aufnahme der Umsatzsteuerregelung in § 249 Abs. 2 S. 2 BGB explizit zugelassen. Wie also schon mehrfach an anderer Stelle deutlich betont, kann die Aufgabe der fiktiven Abrechnung auch nur durch den Gesetzgeber erfolgen. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn die Rechtsprechung die Ausgestaltung des Rechts ändern wollte. Hier kann mit einer solchen Aufgabe nicht gerechnet werden. Zu deutlich ist die jahrzehntelange Entwicklung zu diesem Thema.
Die Frage sollte also vielmehr sein, ob nicht die bestehende Dogmatik des BGH zu § 249 BGB dazu führt, dass die Regeln der fiktiven Abrechnung angepasst werden müssen.
B. Rechtsprechung des BGH
Die Rechtsprechung des VI. Senats des BGH ist bezogen auf die richterrechtliche Ausfüllung des Tatbestandes des § 249 BGB auf drei Säulen aufgebaut.
I. Totalreparation und Freiheit in der Wahl der Mittel
Zunächst betont der BGH in st. Rspr., dass der Geschädigte einen Anspruch auf Totalreparation habe, was das Ziel des Schadensersatzes sei. Hierbei ist der Geschädigte nach schadensrechtlichen Grundsätzen sowohl in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung als auch in der Verwendung des vom Schädiger zu leistenden Schadensersatzes frei.
Nach der Rechtsprechung des BGH hat der Geschädigte sodann in diesem zuvor genannten Sinne i.d.R. einen Anspruch auf Ersatz der in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob der Geschädigte das Fahrzeug tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt.
II. Einschränkung durch Wirtschaftlichkeitsgebot
Dieser Anspruch des Geschädigten wird sodann zunächst durch das in § 249 Abs. 2 S. 1 BGB verankerte Wirtschaftlichkeitsgebot eingeschränkt.
Danach hat er im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Begehrt er den Ersatz fiktiver Reparaturkosten, genügt es im Allgemeinen, dass er den Schaden auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens berechnet, sofern das Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden. Gleichwohl muss sich der Geschädigte, der mühelos eine ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 BGB auf diese verweisen lasse...