Zunächst ist die Frage relevant, ob und wann der Versicherungsfall (der je nach Bedingungswerk auch als "Rechtsschutzfall" bezeichnet wird) in der Rechtsschutzversicherung eingetreten ist. Wenn nicht bestimmbar ist, was unter dem Begriff des Versicherungsfalles zu verstehen ist, kann in zeitlicher Hinsicht nicht festgelegt werden, ob dem Versicherungsnehmer ein Anspruch auf Versicherungsschutz zusteht.
In der Rechtsschutzversicherung werden grds. drei Versicherungsfälle unterschieden. Diese sind abhängig davon, ob der Bereich des Schadenersatz-Rechtsschutzes oder – das betrifft den ganz überwiegenden Teil der Fälle – des verstoßabhängigen Rechtsschutzes betroffen ist. Daneben gibt es noch den Versicherungsfall im Beratungs-Rechtsschutz, der aber für das verkehrsrechtliche Mandat keine Rolle spielt. In den GDV-Musterbedingungen ARB 2010 findet sich hierzu folgende Regelung:
Zitat
"§ 4 Voraussetzung für den Anspruch auf Rechtsschutz"
(1) Anspruch auf Rechtsschutz besteht nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles
a) im Schadenersatz-Rechtsschutz gem. § 2a) von dem ersten Ereignis an, durch das der Schaden verursacht wurde oder verursacht worden sein soll;
[…]
c) in allen anderen Fällen von dem Zeitpunkt an, in dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll.“
Beim Schadenersatz-Rechtsschutz ist der Versicherungsfall demnach das erste Ereignis, durch das der Schaden verursacht wurde. Die entsprechende Formulierung gilt nur für die Leistungsart nach § 2a ARB 2010 und damit nur bei Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen, die nicht auf einer Vertragsverletzung oder Verletzung eines dinglichen Rechts an Grundstücken, Gebäuden oder Gebäudeteilen beruhen. Ausweislich der Formulierung wird auf das sog. Kausalereignis abgestellt. Anders ist dies in den ARB 75 ("das dem Anspruch zugrunde liegende Schadenereignis") bzw. ARB 2012 ("… bei dem …"). Diese Bedingungswerke stellen auf das sog. Folgeereignis ab. "Schadenereignis" als Folgeereignis meint demnach nicht die einzelne (erste) Schadenursache, sondern das äußere Ereignis, welches den Personen- oder Sachschaden unmittelbar ausgelöst hat. Wenn jedoch demgegenüber auf das Kausalereignis abgestellt wird, kommt es auf das erste Ereignis an, welches in unmittelbarer Kausalkette den Schaden herbeiführt. Die entsprechende Unterscheidung wird überhaupt nur dann relevant, wenn die schadenverursachende Begebenheit und der tatsächliche Eintritt des Schadenereignisses zeitlich auseinanderfallen.
In allen übrigen Fällen ist der Versicherungsfall der wirkliche oder angebliche Beginn des Verstoßes gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften (sog. verstoßabhängiger Rechtsschutz). Für die Annahme eines den Rechtsschutzfall auslösenden Verstoßes genügt jeder tatsächliche, objektiv feststellbare Vorgang, der den Keim eines Rechtskonflikts in sich trägt. Um dies zu bestimmen, wird das sog. Drei-Säulen-Modell des BGH herangezogen, wonach der Vortrag des Versicherungsnehmers als erste Säule einen objektiven Tatsachenkern und nicht nur ein bloßes Werturteil enthalten muss. Der vorgetragene Tatsachenkern muss dabei die Beurteilung erlauben, ob der damit beschriebene Vorgang den zwischen den Parteien ausgebrochenen Konflikt jedenfalls mit ausgelöst hat, also geeignet gewesen ist, den Keim für eine (zukünftige) rechtliche Auseinandersetzung zu legen. Aus diesem Vorbringen muss sich ein vom Versicherungsnehmer behaupteter Rechtsverstoß ergeben (zweite Säule), auf den der Versicherungsnehmer seine Interessenwahrnehmung stützt (dritte Säule).
Spätestens seit der sog. Gammagard-Entscheidung des BGH steht fest, dass für den sog. Aktivprozess, also den Fall, dass der Versicherungsnehmer einen Anspruch gegen einen Dritten erhebt, für die Festlegung der den Versicherungsfall kennzeichnenden Pflichtverletzung allein der Tatsachenvortrag entscheidend ist, mit dem der Versicherungsnehmer den Verstoß seines Anspruchsgegners begründet. Nunmehr hat der BGH auch die seit langem hochstreitige Frage entschieden, ob dies auch für den "Passivprozess" gilt. Nach Auffassung des BGH ist dies der Fall; auf die prozessuale Parteirolle oder eine anderweitig begründete Unterscheidung zwischen Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung kommt es insoweit nicht an. Der dem Urteil des BGH zugrundeliegende Fall war im weitesten Sinne dem Vertragsrechtsschutz zuzuordnen, so dass weiterhin offen ist, ob die vorgenannte Rechtsprechung auch für die zeitliche Definition des Versicherungsfalls in anderen Leistungsarten gilt. Aus verkehrsrechtlicher Sicht relevant ist insb. der Straf- und Owi-Rechtsschutz sowie der Verwaltungsrechtsschutz in Verkehrssachen. Konkret stellt sich diese Frage auch vor dem Hintergrund des sog. Fahrerlaubnisentziehungsfalls. Dort hatte der BGH ausgeführt, dass bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Erreichens der 18-Punkte-Grenze infolge wiederholter Verstöße gegen straßenverkehr...