Hinsichtlich der Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles sind im verkehrsrechtlichen Bereich die Führerschein- und Schwarzfahrtklausel sowie eine mögliche fehlende Zulassung des Kfz in § 21 Abs. 8 S. 1 ARB 2010 relevant. Demgegenüber werden Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles in § 17 ARB 2010 wie folgt geregelt:
Zitat
"§ 17 Verhalten nach Eintritt des Rechtsschutzfalls"
(1) Wird die Wahrnehmung rechtlicher Interessen des Versicherungsnehmers nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles erforderlich, hat er
c) soweit seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigt werden,
bb) für die Minderung des Schadens i.S.d. § 82 VVG zu sorgen. Dies bedeutet, dass die Rechtsverfolgungskosten so gering wie möglich gehalten werden sollen. Von mehreren möglichen Vorgehensweisen hat der Versicherungsnehmer die kostengünstigste zu wählen, indem er z.B. (Aufzählung nicht abschließend):
[…]
Der Versicherungsnehmer hat zur Minderung des Schadens Weisungen des Versicherers einzuholen und zu befolgen. Er hat den Rechtsanwalt entsprechend der Weisung zu beauftragen.
[…]
(7) Der Versicherungsnehmer muss sich bei der Erfüllung seiner Obliegenheiten die Kenntnis und das Verhalten des von ihm beauftragten Rechtsanwalts zurechnen lassen, sofern dieser die Abwicklung des Rechtsschutzfalls gegenüber dem Versicherer übernimmt.“
Die entsprechende Schadenminderungsobliegenheit sowie die Zurechnung des Verhaltens des Rechtsanwalts des Versicherungsnehmers wurden vom BGH in seiner Entscheidung vom 14.8.2019 für unwirksam erklärt. Hintergrund war eine verkehrsrechtliche Konstellation: Gegen den Kläger/Versicherungsnehmer erging ein Bußgeldbescheid, weil er den erforderlichen Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht eingehalten habe. Daraufhin beauftragte er einen Rechtsanwalt mit seiner Verteidigung. Dieser erbat von dem beklagten Rechtsschutzversicherer eine Kostendeckungszusage für ein Sachverständigengutachten zur Überprüfung der Abstandsmessung. Der Rechtsschutzversicherer erteilte die Weisung, eine bestimmte Sachverständigengesellschaft zu beauftragen. Der Rechtsanwalt des Klägers beauftragte einen anderen Sachverständigen. Der Versicherer erstattete mit der Begründung, bei der Beauftragung der benannten Sachverständigengesellschaft wären niedrigere Kosten angefallen, nur einen Teilbetrag hinsichtlich der geltend gemachten Sachverständigengebühren. Der Kläger macht mit seiner Klage die Differenz geltend.
Nach Ansicht des BGH kann der um Verständnis bemühte Versicherungsnehmer aus der Formulierung der Schadenminderungsobliegenheit nicht erkennen, welches bestimmte Verhalten von ihm verlangt wird, um seinen Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht zu gefährden. Es ist für ihn unmöglich zu erkennen, welche Tatbestände Kosten auslösen, wie hoch die Kosten sind und wie er sein Rechtsschutzziel auf kostengünstige Weise erreicht. Die hiermit verbundenen Überlegungen, wie eine alternative Vorgehensweise in kostentechnischer Sicht, aber auch bezüglich ihres Erfolges zu bewerten sind, können dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, der regelmäßig nicht über juristisches Fachwissen verfügt, nicht abverlangt werden.
Weiterhin war der beklagte Versicherer auch deshalb nicht nach § 17 Abs. 1a bb ARB leistungsfrei, weil der der Kläger sich das Verhalten seines Rechtsanwalts weder nach allgemeinen Grundsätzen noch nach § 17 Abs. 7 ARB zurechnen lassen musste. Nicht der Kläger, sondern sein Rechtsanwalt hat einen anderen als den seitens des Versicherers benannten Sachverständigen beauftragt. Die entsprechende Klausel benachteiligt den Versicherungsnehmer vielmehr unangemessen, da sie das Zurechnungsmodell des § 278 BGB auf die Obliegenheiten des Versicherungsnehmers überträgt und sich damit in Widerspruch zu der Rechtsprechung setzt, die dem Versicherungsnehmer das Handeln und Wissen eines Dritten nur in engen Grenzen zurechnet und die Repräsentanteneigenschaft des Dritten nur unter besonderen Voraussetzungen bejaht.