VVG § 159 Abs. 2 a.F. = § 150 Abs. 2 n.F.; BGB § 1908i Abs. 1 S. 1 a.F. § 1857a § 1852 Abs. 2 S. 1 § 1831 S. 1 § 1812 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 3 § 164 Abs. 1 S. 1 § 126 Abs. 3 jeweils a.F.
Leitsatz
Bei einer Lebensversicherung auf den Tod eines anderen erfordert die Änderung der Bezugsberechtigung im Todesfall in entsprechender Anwendung von § 159 Abs. 2 Satz 1 VVG die schriftliche Einwilligung der versicherten Person. Entsprechend § 159 Abs. 2 Satz 2 VVG kann jedenfalls der für den Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge bestellte Betreuer der versicherten Person diese bei Erteilung der Einwilligung nicht vertreten, wenn die Bezugsberechtigung zu seinen Gunsten geändert werden soll.
BGH, Urt. v. 25.9.2019 – IV ZR 99/18
Sachverhalt
Die Kl. nimmt den Bekl. auf Rückzahlung von Versicherungsleistungen aus zwei Lebensversicherungen in Anspruch.
Der Sohn des Bekl. (im Folgenden: Betreuter) hatte diese als Versicherungsnehmer und versicherte Person im Jahr 1989 mit der Rechtsvorgängerin der Kl. abgeschlossen und seine spätere Ehefrau als Bezugsberechtigte für seinen Todesfall benannt. Im April 1993 fiel er infolge eines Unfalles ins Koma. Der Bekl. wurde zu seinem Betreuer mit den Aufgabenkreisen "Sorge für die Gesundheit des Betroffenen einschließlich der Zustimmung zu ärztlichen Maßnahmen", "Aufenthaltsbestimmung", "Vermögenssorge" sowie "Geltendmachung von Ansprüchen auf Rente, Sozialhilfe und Unterhalt" bestellt. Die Ehe des Betreuten wurde im August 1994 geschieden.
Mit Schreiben vom 10.10.1994 bat der Bekl. in seiner "Eigenschaft als Betreuer" die Kl. unter Hinweis auf die Ehescheidung, ihn selbst bei den Lebensversicherungen als bezugsberechtigte Person einzutragen, und erklärte, dass nach Vollendung ihres 18. Lebensjahres die Tochter des Betreuten bezugsberechtigt sein solle. Die Kl. teilte dem Bekl. durch Schreiben vom 18.10.1994 mit, ihn als widerruflich bezugsberechtigt vorgemerkt zu haben.
Der Betreute verstarb Ende des Jahres 2011. Alleinerbin ist seine Tochter.
Auf Antrag des Bekl. zahlte die Kl. die Versicherungsleistungen i.H.v. 27.323,30 EUR an ihn und i.H.v. 42.697,09 EUR an ein Bestattungsinstitut aus, welches nach Abzug der für die Beerdigung des Betreuten angefallenen Kosten 39.499,22 EUR an den Bekl. weiterleitete.
Im Jahr 2013 verlangte die geschiedene Ehefrau des Betreuten von der Kl. die Auszahlung der Versicherungsleistungen. Dem kam die Kl. nach. In der Folge forderte sie den Bekl. mehrfach zur Rückzahlung der ausgezahlten Beträge auf.
Der Bekl. hat behauptet, der Betreute habe seit dem Unfall an einem sog. Locked-In-Syndrom gelitten. Er habe durch Augenkontakt mit seiner Umwelt kommunizieren können. Auf diese Weise habe der Betreute ihn mit der Änderung der Bezugsrechte aus den Lebensversicherungen beauftragt.
2 Aus den Gründen:
"… [17] 1. Das BG hat zutreffend angenommen, dass die Kl. den Bekl. gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung der Versicherungsleistungen in Anspruch nehmen kann."
[18] a) Der Bekl. hat diese ohne rechtlichen Grund erlangt. Ihm stand keine Bezugsberechtigung für die Leistungen aus den Lebensversicherungen zu, da er die ursprünglich zugunsten der geschiedenen Ehefrau des Betreuten begründeten Bezugsrechte durch sein Schreiben vom 10.10.1994 nicht wirksam dahin geändert hat, dass er bezugsberechtigt wurde.
[19] aa) Das BG hat im Ergebnis richtig entschieden, dass der Bekl. in seiner Eigenschaft als Betreuer keine Befugnis hatte, die Bezugsberechtigung zu seinen Gunsten zu ändern.
[20] (1) Das folgt allerdings entgegen der Auffassung des BG nicht daraus, dass der Bekl. hierfür nach § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 31.12.1998 geltenden Fassung i.V.m. § 1812 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung (im Folgenden: BGB a.F.) der vorherigen Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedurft hätte und die Änderung der Bezugsberechtigung ohne eine solche Genehmigung nach § 1831 Satz 1 BGB a.F. unwirksam gewesen wäre. Denn § 1812 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. findet auf den Bekl. in Ermangelung einer anderweitigen Anordnung des Vormundschaftsgerichts gem. §§ 1908i Abs. 2 Satz 2, 1857a, 1852 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. keine Anwendung, da er der Vater des Betreuten ist (vgl. BeckOK BGB/Fröschle, Stand: 1.9.2019 § 1857a Rn 8, 14; Roth in Erman, BGB, 15. Aufl., § 1908i Rn 33 f. …)
[21] (2) Die Änderung der Bezugsberechtigung war indes jedenfalls aufgrund des Fehlens einer schriftlichen oder notariell beurkundeten (vgl. § 126 Abs. 3 BGB in der bis zum 31.7.2001 geltenden Fassung) Einwilligung des Betreuten unwirksam.
[22] (a) Eine solche Einwilligung war hier in analoger Anwendung des § 159 Abs. 2 Satz 1 VVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (im Folgenden: VVG a.F.) erforderlich.
[23] § 159 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. bestimmt, dass, wenn die Versicherung für den Fall des Todes eines anderen genommen wird und die vereinbarte Leistung – wie im Streitfall – den Betrag der gewöhnlichen Beerdigungskosten übersteigt, zur Gültigkeit des Vertrags die schriftliche Einwilligung des anderen erforderlich ist. Dies...