"… I. Der Umstand, dass die Sachrüge lediglich in Bezug auf die fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung näher ausgeführt ist, beinhaltet keine Beschränkung des umfassend eingelegten Rechtsmittels. Von ihm ist daher auch die Verurteilung des Angeklagten wegen Nötigung zum Nachteil des Zeugen S. mittels eines nicht durch die Verkehrssituation veranlassten starken Abbremsens mit seinem Pkw auf einer zweispurig ausgebauten Bundesstraße erfasst. Insoweit weist weder der Schuld- noch der Strafausspruch einen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler auf, weshalb das Rechtsmittel insoweit unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO ist."
II. Das angefochtene Urteil begegnet jedoch durchgreifenden rechtlichen Bedenken, soweit der Angeklagte wegen einer im Anschluss an die Nötigung begangenen fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung verurteilt worden ist.
1. Hierzu enthalten die schriftlichen Urteilsgründe die folgenden Feststellungen:
“Im Anschluss an diese Situation überholte der Zeuge E. mit seinem Motorrad (…) das Fahrzeug des Angeklagten rechts, wobei der Zeuge mit dem Motorrad zwischen den Fahrzeugen auf der linken und den Fahrzeugen auf der rechten Spur fuhr, nachdem er den Lkw überholt hatte, den vorher der Angeklagte und der Zeuge S. überholt hatten. Da der Angeklagte ebenfalls mit seinem Fahrzeug rechts einscheren wollte, kam es fast zur Kollision zwischen dem Pkw des Angeklagten und dem Motorrad des Zeugen E., weshalb der Zeuge E. mit seinem Motorrad rechts am Fahrbahnrand anhielt (…). Aus Verärgerung über die Fahrweise des Zeugen E. hielt der Angeklagte sein Fahrzeug an, obwohl er hätte weiterfahren können und zwar so, dass das Fahrzeug halb auf der linken und halb auf der rechten Fahrspur stand und so beide Fahrspuren blockierte, sodass auch der Lkw und der Zeuge S. mit seinem Pkw (…) anhalten mussten. Der Angeklagte wollte das Automatikgetriebe seines Fahrzeugs in den Gang P schalten, legte jedoch versehentlich den Rückwärtsgang ein und stieg aus dem Fahrzeug aus, um den Zeugen E. zur Rede zu stellen. Als der Angeklagte bemerkte, dass sein Pkw mit offener Fahrertür nach hinten rollte, sprang er wieder in seinen Pkw, riss das Lenkrad herum, konnte allerdings nicht mehr verhindern, dass sein Pkw mit dem Pkw des Zeugen S., der stillstand, kollidierte, zumal der Angeklagte beim Rückwärtsfahren bremsen wollte, jedoch mit dem Fuß auf das Gaspedal rutschte und daher die Rückwärtsfahrt beschleunigte. An dem Pkw des Zeugen S. entstand ein Schaden i.H.v. ca. 2700 EUR (…).'
2. Diese Feststellungen vermögen den Schuldspruch wegen (fahrlässiger) Straßenverkehrsgefährdung nicht zu tragen:
Nach § 315c Abs. 1 Nr. 2f) StGB macht sich derjenige strafbar, der grob verkehrswidrig und rücksichtslos auf Autobahnen oder Kraftstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fährt oder dies versucht. Das Tatbestandsmerkmal des Rückwärtsfahrens beinhaltet – ebenso wie dasjenige des “Führens' i.S.d. Abs. 1 Nr. 1 – ein subjektives bzw. “finales' Element. Wer ohne seinen Willen ein Fahrzeug rückwärts in Bewegung setzt, fährt bzw. führt dieses nicht (h.M., vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.2.1990 – 3 Ss 465/89, NZV 1990, 277; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.3.2000 – 2b Ss (OWi) 73/00 [zu § 9 StVO]; König in LK-StGB, 12. Aufl., § 315c Rn 119; Pegel in MüKo-StGB, 3. Aufl., § 315c Rn 72; Bollacher in BeckOK-StVR, 8. Ed. Stand 1.7.2020, StGB § 315c Rn 61, jew. mit weiteren Nachweisen). Es reicht danach für die Erfüllung des objektiven Tatbestandes nicht aus, wenn der Täter – wie hier – ungewollt sein Fahrzeug in Bewegung setzt.
III. Die teilweise Aufhebung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Weil das AG zur Begründung des Maßregelausspruchs maßgeblich auf die Straßenverkehrsgefährdung und den dadurch bewirkten Schaden abgestellt hat, unterliegt auch der Fahrerlaubnisentzug der Aufhebung.“
zfs 1/2021, S. 50