VVG § 100 § 106
Leitsatz
1. Hat ein Berufshaftpflichtversicherer gegenüber einem Architekten vorbehaltlos Abwehrdeckung erteilt, kann darin ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis der Leistungspflicht liegen. Dessen Folge ist, dass der VR für die Zukunft mit solchen Einwendungen ausgeschlossen ist, die er im Zeitpunkt des Anerkenntnisses bereits gekannt hat oder bei gehöriger Prüfung hätte kennen müssen. Dies kann insbesondere den Einwand der bereits verstrichenen Nachhaftungsfrist betreffen.
2. Ein VR, der zu Unrecht das Fortbestehen weiteren Deckungsschutzes in Abrede stellt, ist grundsätzlich an einen im Haftpflichtverhältnis geschlossenen Vergleich gebunden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der VN In zumindest leichtfertiger Weise seine eigenen wohlverstandenen Interessen missachtet, indem er einen Betrag anerkennt, der grob unbillig ist und den VR in sachlich nicht gerechtfertigter Weise belastet.
OLG Nürnberg, Beschl. v. 9.8.2021 – 8 U 1012/21
Sachverhalt
Die Parteien streiten über einen Deckungsanspruch aus einer Architektenhaftpflichtversicherung, die der Kl. seit 2001 bei der Bekl. unterhielt und die bis zum 6.3.2008 bestand. In den Vertrag waren die AHB sowie die Risikobeschreibungen und BB für planende, beratende, begutachtende und technische Berufe (RBHArch) einbezogen.
Hintergrund des Rechtsstreits sind gegenüber dem Kl. geltend gemachte Ansprüche im Zusammenhang mit dessen Tätigkeit bei einem umfangreichen Bauvorhaben auf den Anwesen N. Bauträger dieses Vorhabens war K. Gegen diesen leitete die Wohnungseigentümergemeinschaft … vor dem LG N ein selbstständiges Beweisverfahren ein. Nachdem der dortige Antragsgegner K. dem Kl. den Streit verkündet hatte, trat der Kl. dem Verfahren mit Schriftsatz vom 12.6.2013 auf Seiten des Antragsgegners bei. Die anwaltliche Vertretung des Kl. in dem genannten gerichtlichen Verfahren erfolgte im Auftrag und auf Kosten der Bekl.
Nachdem sich die Beteiligten des selbstständigen Beweisverfahrens, darunter der anwaltlich vertretene Kl., entschlossen hatten, die zwischen ihnen im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben im Raum stehenden Ansprüche einer gütlichen Einigung zuzuführen, erklärte die Bekl. am 20.9.2017 gegenüber dem Kl., sie habe den Versicherungsschutz "aus Anlass des Vergleichsschlusses" nochmals überprüft. Demnach sei eine Schadensmeldung erst nach dem am 6.3.2013 abgelaufenen Nachhaftungszeitraum erfolgt. Auch in der Folgezeit lehnte die Bekl. weiteren Deckungsschutz ab.
Der Kl. schloss mit dem Bauträger K. am 12.2.2019 einen außergerichtlichen Vergleich, in dem er sich zur Abgeltung der im Zusammenhang mit dem betroffenen Bauvorhaben geltend machten Ansprüche zur Zahlung eines Schadenersatzbetrages von 130.000,– EUR verpflichtete. Nachfolgend schlossen die Hauptparteien des selbstständigen Beweisverfahrens am 16.5.2019 einen Prozessvergleich, wonach der Antragsgegner K. an die Wohnungseigentümergemeinschaft einen Betrag von 200.000,– EUR zu zahlen hatte.
Das LG hat der auf Freistellung von der Zahlungsverpflichtung gegenüber K. gerichteten Klage überwiegend stattgegeben.
2 Aus den Gründen:
Zu Recht und mit weitgehend überzeugender Begründung hat das LG einen Anspruch des Kl. aus §§ 100, 106 Satz 1 VVG, Ziffer 5.1 AHB bejaht und der Klage daher überwiegend stattgegeben. Mit den hiergegen erhobenen Einwendungen kann die Berufung nicht durchdringen.
1. Die Vorinstanz hat fehlerfrei festgestellt, dass ein Versicherungsfall vorliegt. (wird ausgeführt)
2. Der Versicherungsfall fällt in den zeitlichen Rahmen des Versicherungsschutzes.
a) Abweichend von Ziffer 1.1 AHB, der auf ein während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenes Schadensereignis abstellt, umfasst der Versicherungsschutz im Rahmen der hier vorliegenden Architektenhaftpflichtversicherung "Verstöße, die zwischen Beginn und Ablauf des Versicherungsvertrages begangen werden" (Ziffer A III. 1. RBHArch). Gemeint sind damit Verstöße gegen Berufspflichten bei Ausübung der im Versicherungsschein beschriebenen Tätigkeit (Ziffer A I. 1.1 RBHArch). Für die Gewährung des Versicherungsschutzes kommt es demnach nicht auf das eingetretene Schadensereignis (d.h. konkrete bauliche Mängel und daraus resultierende Folgen) an, sondern auf den Zeitpunkt der fehlerhaften Planung bzw. Bauüberwachung des Architekten – sog. Kausalereignistheorie (vgl. Senat VersR 1994, 1462; OLG Hamm, NJW-RR 2001, 391, 392). Diese Sichtweise erscheint im Übrigen auch sachgerecht. Denn anders als in den meisten sonstigen Zweigen der Haftpflichtversicherung bedarf es im Rahmen der Architektenhaftpflichtversicherung im Regelfall noch einer Umsetzung der vom VN erbrachten Leistung. Das Schadensereignis wird aufgrund der Besonderheit des geistigen Werkes des Architekten oftmals erst einige Zeit nach dem Verstoß eintreten.
Frei von Beanstandungen hat das LG festgestellt, dass der Kl. die hier maßgeblichen Planungs- und Überwachungsleistungen in den Jahren 2006 und 2007 erbracht hat. Im Jahre 2007 ist das Bauvorhaben fertiggestellt worden. Der Versicherungsvertrag der Parteien endete hingegen...