BGB § 249 § 254 § 843 Abs. 4; StVG § 7 Abs. 1 § 17; VVG § 115 Abs. 1 Nr. 1
Leitsatz
1. Verzögerungen bei der Reparatur des unfallbeschädigten Kfz, die nicht vom Geschädigten zu vertreten sind, gehen zu Lasten des Schädigers. Insofern kann von dem Geschädigten eine Nutzungsausfallentschädigung auch für einen längeren Zeitraum (hier: 104 Tage) beansprucht werden.
2. Hat die Werkstatt die Verzögerung mit Lieferschwierigkeiten bei Ersatzteilen (hier: Airbag-Modul für die Beifahrerseite) begründet, trifft den Geschädigten keine dahingehende Schadenminderungspflicht, selbst bei anderen Werkstätten oder bei dem Fahrzeughersteller nach der Verfügbarkeit der Ersatzteile zu forschen. Er darf sich vielmehr grundsätzlich darauf verlassen, dass die von ihm beauftragte Werkstatt sich unter Ausschöpfung aller verfügbaren Möglichkeiten um die zeitnahe Beschaffung der Ersatzteile bemühen wird.
3. Der Geschädigte muss sich zur Verkürzung der Ausfallzeit grundsätzlich nicht mit einer Teilreparatur seines Kfz zufriedengeben.
4. Dem Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung steht nicht entgegen, dass dem Geschädigten während der Ausfallzeit seines Kfz von einem Familienmitglied ein anderes Kfz zur Verfügung gestellt worden ist. Insofern handelt es ich um die freiwillige Leistung eines Dritten, die den Schädiger nicht entlastet.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.3.2021 – I-1 U 77/20
Sachverhalt
Der Pkw der Klägerin wurde am 11.6.2018 bei einem Kreuzungsunfall beschädigt. Am 29.6.2018 erteilte die Klägerin der DEKRA den Auftrag, die unfallbedingten Schäden an ihrem Kraftfahrzeug zu ermitteln. Die DEKRA erstellte das Gutachten am 2.7.2018. Mit anwaltlichem Schreiben vom 23.7.2018 übersandte die Klägerin das Gutachten der beklagten Versicherung und verlangte Zahlung der ermittelten die Bruttoreparaturkosten, einer Wertminderung sowie Erstattung eines Nutzungsausfallschadens. Außerdem stellte sie der Beklagten die Kosten der Begutachtung, eine Auslagenpauschale sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Rechnung.
Mit Schreiben vom 1.8.2018 wies die Beklagte die Ansprüche der Klägerin zunächst mit der Begründung zurück, dass nach Angaben des Beifahrers des bei ihr versicherten Fahrzeugs dieses bei gelber Ampelschaltung in den Kreuzungsbereich eingefahren sei, sodass keine Eintrittspflicht bestehe.
Am 9.8.2018 erteilte die Klägerin der Firma M. GmbH einen Reparaturauftrag mit der Maßgabe, dass mit der Reparatur erst nach eindeutiger Klärung der Haftungsfrage begonnen werden solle. Nachdem die Klägerin am 14.8.2018 über die Ordnungsbehörde erfahren hatte, dass der Fahrer des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs seinen Einspruch gegen einen gegen ihn wegen des Unfalls erlassenen Bußgeldbescheid zurückgenommen hatte, wurde am selben Tag mit der Reparatur begonnen. Während der Zeit der Reparatur nutzte die Klägerin einen Pkw X., der jedenfalls auch durch ihren Sohn genutzt wurde. In den Zeiträumen vom 10.9.2018 bis zum 20.9.2018 und vom 15.10.2018 bis zum 5.11.2018, in denen sich der Sohn mit dem Fahrzeug im Urlaub befand, nutzte die Klägerin einen Mietwagen.
Die Beklagte ließ in der Folge ihre Einwände gegen ihre Einstandspflicht dem Grunde nach fallen und bezahlte den Sachschaden, weigerte sich jedoch eine über den Zeitraum von 31 Tagen hinausgehende Nutzungsausfallsentschädigung zu erstatten und erkannte auch die weiter geltend gemachten Anwaltskosten nicht an.
Die Klägerin hat daraufhin Klage auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von (159 weitere Tage x 79 EUR=) 12.561,00 EUR sowie der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten erhoben.
Das Landgericht diese Klage abgewiesen. Die Klägerin habe gegen ihre Pflicht zur Schadensminderung verstoßen, da sie für eine zeitnahe Reparatur ihres Kraftfahrzeugs hätte sorgen, in jedem Fall aber der Beklagten die eingetretenen erheblichen Verzögerungen bei der Reparatur anzeigen und dieser so Gelegenheit geben müssen, dem hier geltend gemachten Nutzungsausfall durch Einschaltung eines anderen Reparaturbetriebs vorzubeugen. Auch habe die Klägerin den Widerspruch zwischen der in dem von ihr eingeholten Gutachten ermittelten Reparaturzeit von vier Arbeitstagen und dem geltend gemachten Nutzungsausfall für 190 Kalendertage nicht schlüssig dargelegt.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das Urteil abgeändert.
2 Aus den Gründen:
[36] Die Berufung der Klägerin hat überwiegend Erfolg.
[37] Ihr steht infolge des Unfalls eine Nutzungsausfallentschädigung für 104 Tage, mithin in Höhe von 8.216,00 EUR, aus §§ 7 Abs. 1, 17 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG zu. In diesem Zeitraum, in dem das Fahrzeug vier Tage lang begutachtet und sodann über 127 Tage hinweg – 31 Tage davon hat die Beklagte bereits reguliert – repariert wurde, konnte die Klägerin ihr Fahrzeug unfallbedingt nicht nutzen. Zudem ist der Klägerin vor Beauftragung des Gutachters und vor Erteilung des Reparaturauftrags eine angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist von jeweils zwei Tagen zuzubilligen. Die freiwillige Überlassung eines Ersatzfahrzeugs durch den Sohn während diese...