VVG § 78
Leitsatz
Auch wenn verschiedene VN für ein Kraftfahrzeug jeweils einen Kaskoversicherungsvertrag abgeschlossen haben liegt eine Mehrfachversicherung mit der Folge vor, dass bei einem Kaskoschaden grundsätzlich ein hälftiger Ausgleich zwischen den VR stattfindet.
(Leitsatz der Schriftleitung)
AG Berlin-Mitte, Urt. v. 5.1.2022 – 119 C 27/21
1 Sachverhalt
Die Kl. begehrt von der Bekl. Ausgleich geleisteter Versicherungsleistungen. Zwischen der Kl. und der Firma K. Kfz-Handel besteht eine Handel- und Handwerkversicherung einschließlich einer Fahrzeugversicherung. Ebenso besteht eine Handel- und Handwerkversicherung zwischen der Bekl. und der Firma … .
Die VN des Bekl. war im Rahmen eines Leasingsverhältnisses Leasingnehmerin und Halterin des Pkw F. Über die Bekl. bestand Vollkaskoschutz einschließlich einer Teilkaskoversicherung für das Fahrzeug. Das Fahrzeug wurde am 28.4.2016 nach Beendigung des Leasingvertrags an die Leasinggeberin zurückgegeben. Es wurde dann an die VN der Kl.. verkauft und an die Firma K Kfz-Handel übergeben. Bei der Überführung von S. zur VN der Kl. in I. kam es auf der Autobahn A8 in der Nähe von U. durch einen Steinschlag eines nicht mehr mittelbaren Fahrzeugs zu einem Schaden am streitgegenständlichen F. Die Kl. regulierte gegenüber ihrer VN unfallbedingt erforderliche Reparaturkosten in Höhe von 1.924 EUR, wobei eine Selbstbeteiligung in Höhe von 150 EUR bereits berücksichtigt ist. Das streitgegenständliche Fahrzeug wurde entgegen den Weisungen mit den regulären Nummernschildern an die Firma K Kfz-Handel übergeben, sodass die Überführung des Fahrzeugs ohne Verwendung von roten Überführungskennzeichen erfolgte.
2 Aus den Gründen:
Die Klage ist zulässig und begründet …
Die Kl. hat gegen die Bekl. gemäß § 78 Abs. 2 Satz 1 VVG Anspruch auf Ausgleich gezahlter Versicherungsleistungen in Höhe von 962 EUR.
Für das streitgegenständliche Fahrzeug F. bestand zum Unfallzeitpunkt eine Mehrfachversicherung im Sinne von § 78 Abs. 1 VVG. Unstreitig waren sowohl die Kl. als auch die Bekl. Kasko- und Teilkaskoversicherer für das Fahrzeug. Als solche waren beide zur Regulierung des eingetretenen Schadens verpflichtet, wobei Anhaltspunkte für einen geringeren Haftungsumfang der Bekl. im Außenverhältnis gegenüber der Versicherungsnehmerin der Kl. als Eigentümerin des Fahrzeugs zum Unfallzeitpunkt nicht ersichtlich sind. Angesichts der vollen Haftung der beiden VR im Außenverhältnis betrug die Summe der von beiden jeweils ohne das Bestehen der anderen Versicherung zu leistenden Entschädigungen das doppelte der von der Kl. geleisteten Zahlung. Gegen das Vorliegen einer Mehrfachversicherung spricht nicht, dass die mit der Kl. und mit der Bekl. jeweils bestehenden Versicherungsverträge durch verschiedene Versicherungsnehmer abgeschlossen worden waren (siehe Prölss/Martin/Armbrüster, 31. Aufl. 2021, VVG § 77 Rn 10 m.w.N.).
Gemäß § 78 Abs. 2 S. 1 VVG ist die Bekl. aufgrund des gleich hohen Haftungsumfangs im Außenverhältnis im Innenverhältnis gegenüber der Kl. zur Erstattung der Hälfte der von der Kl. geleisteten Entschädigung verpflichtet, sodass sich bei einer Regulierungsleistung der Kl. in Höhe von 1.924 EUR der zugesprochene Betrag ergibt. Ansatzpunkte für eine abweichende Schadensteilung im Innenverhältnis sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist eine Inanspruchnahme der Kl. nicht aufgrund der gegenüber der VN der Bekl. abredewidrigen Übergabe des Fahrzeugs an die VN der Kl. durch die Leasinggeberin … mit regulärem Kennzeichen und nicht mit rotem Überführungskennzeichen oder aufgrund einer verspäteten Abmeldung des Fahrzeugs durch die … treuwidrig. Denn eine Verpflichtung der VN der Kl., der Firma … Kfz-Handel, zur Abmeldung des Fahrzeugs oder zur Verwendung eines roten Überführungskennzeichen ist nicht ersichtlich und ergibt sich insbesondere nicht aus dem Kaufvertrag vom 29.4.2016.
Auch Anhaltspunkte für eine Leistungsfreiheit der Bekl. aufgrund einer Obliegenheitsverletzung seitens deren Versicherungsnehmerin bzw. seitens der in deren Lager stehenden Leasinggeberin … durch die unterbliebene Verwendung eines roten Kennzeichens oder eine verspätete Abmeldung des Fahrzeugs lassen sich dem beiderseitigen Vortrag nicht entnehmen, zumal im Falle einer Leistungsfreiheit der Bekl. bereits eine Mehrfachversicherung i.S.v. § 78 VVG nicht gegeben wäre.
zfs 1/2023, S. 24