1. Nach dem Ergebnis der von dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme ist allerdings davon auszugehen, dass es am 22.1.2016 zu einem Unfallereignis im Sinne der Bedingungen (Nr. 1.3 AUB 2011) gekommen ist, weil der Kl. gestürzt ist, was – unabhängig von der Ursache, die zu diesem Sturz geführt hat – ein plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) darstellt (vgl. BGH VersR 2011, 1135). Der Kl. und seine Ehefrau haben übereinstimmend und glaubhaft geschildert, sie seien mit der S. von einer Veranstaltung zurückgekehrt, und der Kl. sei bei Glatteis ausgerutscht und auf den Boden gestürzt. Die Glaubhaftigkeit dieser Angaben wird dabei durch die von der Bekl. hervorgehobenen Widersprüche nicht in Zweifel gezogen. Zwar haben der Kl. und die Zeugin unterschiedliche Orte bezeichnet, an denen der Kl. gestürzt ist – dem Kl. zufolge noch auf dem Bahnsteig, nach Angaben der Zeugin auf dem weiteren Nachhauseweg etwa 200 m entfernt von dem Bahnsteig, doch spricht diese Diskrepanz zwischen ihren Angaben eher gegen eine Absprache, ein tatsächlich nicht geschehenes Unfallereignis zu behaupten, was die Bekl. wohl unterstellen will. Wenn der Kl. und seine Ehefrau das Unfallereignis erfunden hätten, wäre viel eher zu erwarten, dass sie die Schilderung des Kerngeschehens, wozu namentlich der Ort des Sturzes zu zählen ist, exakt absprechen und es allenfalls bei Einzelheiten des Randgeschehens zu Widersprüchen kommt. Dass die Erinnerung des Kl. und die seiner Ehefrau in diesem Punkt nicht übereinstimmten, lässt sich im Übrigen zwanglos mit dem erheblichen Zeitraum erklären, der zwischen dem berichteten Geschehen und ihrer Vernehmung (fast sechs Jahre) verstrichen ist.

2. Ansprüche des Kl. auf eine Invaliditätsleistung scheitern auch nicht – anders als das LG angenommen hat – am Fehlen einer fristgemäßen und inhaltlich ausreichenden Feststellung der Invalidität durch einen Arzt, Zum einen entspricht die vom Kl. vorgelegte ärztliche Invaliditätsfeststellung nach Auffassung des Senats den an sie nach den Versicherungsbedingungen zu stellenden Anforderungen, und zum anderen wäre es der Bekl. – wenn man die ärztliche Bescheinigung für unzureichend erachten würde – nach Treu und Glauben verwehrt, sich hierauf zu berufen.

a. Gemäß Nr. 2.1.1.1 AUB 2011 in Verbindung mit der in Abschnitt Q. Nr. 1 BTU vorgesehenen besonderen Erweiterung der Invaliditätsfristen ist Voraussetzung für die Invaliditätsleistung, dass die versicherte Person durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist (Invalidität); ferner, dass die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und innerhalb von 18 Monaten ärztlich festgestellt und geltend gemacht wurde. Das ist hier geschehen. Die rechtzeitige Geltendmachung der Invalidität steht zwischen den Parteien außer Streit, und das – gleichfalls unstreitig – fristgerecht, nämlich am 7.4.2017, eingereichte Attest des Orthopäden Dr. K. stellt eine ausreichende Invaliditätsfeststellung dar, obwohl es nicht bescheinigt, dass der Dauerschaden binnen Jahresfrist nach dem Unfall eingetreten ist. Eine solche Angabe ist nach den Bedingungen nämlich nicht erforderlich.

(1) Die Fristenregelungen in Nr. 2.1.1.1 AUB 2011 (wie auch schon zuvor in § 7 Abs. 1 (1) AUB 95), an deren Wirksamkeit weder unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit noch unter demjenigen der Transparenz Zweifel bestehen (vgl. BGH VersR 2012, 1113 m.w.N.), zielen darauf ab, dem VR eine Grundlage für die Überprüfung seiner Leistungspflicht zu bieten, außerdem sollen schwer aufklärbare Spätschäden ausgegrenzt werden. Das Versäumen der Fristen, deren Einhaltung nach den Bedingungen als Anspruchsvoraussetzung ausgestaltet ist, führt daher selbst dann zum Leistungsausschluss, wenn den VN daran kein Verschulden trifft (vgl. BGH VersR 2015, 617; … VersR 2007, 1114, auch zur Wirksamkeit der Klausel …). Nach dem dargestellten Zweck der Fristenregelung richten sich auch die inhaltlichen Anforderungen der Invaliditätsfeststellung, an welche keine hohen Anforderungen zu stellen sind (…).

Die ärztliche Invaliditätsfeststellung muss die Schädigung und den Bereich, auf den sich diese auswirkt, sowie die Ursachen, auf denen der Dauerschaden beruht, so umreißen, dass der VR bei seiner Leistungsprüfung vor der späteren Geltendmachung völlig anderer Gebrechen oder Invaliditätsursachen geschützt wird und stattdessen den medizinischen Bereich erkennen kann, auf den sich die Prüfung seiner Leistungspflicht erstrecken muss (BGH VersR 2015, 617). Gemessen an diesem Zweck muss die Invaliditätsfeststellung aber weder präzise Angaben zu Umfang und Ursache des Dauerschadens enthalten, noch muss sie hinsichtlich der Feststellung der Unfallbedingtheit eines bestimmten Dauerschadens überhaupt richtig sein (BGH VersR 2015, 617; VersR 2007, 1114).

(2) In Anwendung dieser Grundsätze wird in der Rspr. teilweise angenommen, die ärztliche Feststellung der Invalidität müsse sich auch dazu verhalten, ob der...

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