RRK/UG-D Nr. 3.1 3.15.8; BGB § 307 Abs. 1, Abs. 3
Leitsatz
a) Die Formulierung "unerwartete und schwere" Erkrankung in den Bestimmungen einer Reiseversicherung (hier: B Reise-Rücktrittsversicherung Nr. 3.1, 3.15, 8 VB-RS 2014 (RRK/UG-D) und B Reiseabbruch-Versicherung Nr. 3.1, 7 VB-RS 2014 (RRK/UG-D)) verstößt nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
b) Als primäre Leistungsbeschreibung unterfällt die Regelung gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB im Übrigen nicht der Inhaltskontrolle. Eine gemäß § 32 Satz 1 VVG unwirksame Abweichung von den §§ 19 ff. VVG liegt nicht vor.
BGH, Urt. v. 19.10.2022 – IV ZR 185/20
1 Sachverhalt
Der Kl., ein als qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 4 UKlaG eingetragener Verein, verlangt von der Bekl. die Unterlassung der Verwendung einer Klausel in einer Reiseversicherung. Die "Versicherungsbedingungen für die Reiseversicherung VB-RS 2014" (VB) der Bekl. lauten auszugsweise wie folgt:
2. Wann liegt ein Versicherungsfall vor?
Die H. leistet, wenn Sie oder eine Risikoperson von einem versicherten Ereignis betroffen sind und der planmäßige Antritt der versicherten Reise dadurch für Sie nicht zumutbar ist.
3. Welche Ereignisse sind versichert?
1. Unerwartete und schwere Erkrankung, Tod, Unfallverletzung oder Schwangerschaft;
[…]
15. Unerwartete und schwere Erkrankung, schwere Unfallverletzung oder Impfunverträglichkeit eines zur Reise angemeldeten Hundes oder einer zur Reise angemeldeten Katze.
[…]
7. Welche Einschränkungen des Versicherungsschutzes sind zu beachten?
1. Vorerkrankungen
Nicht versichert sind Erkrankungen, die zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses bekannt und in den letzten 6 Monaten vor Versicherungsabschluss behandelt worden sind.
[…]
8. Wann fällt eine Selbstbeteiligung an?
Soweit nicht anders vereinbart gilt: Im Falle einer unerwarteten und schweren Erkrankung, die ambulant behandelt wird, beträgt der Selbstbehalt 20 % des erstattungsfähigen Schadens, mindestens 25,– EUR je versicherte Person bzw. Objekt.
[…]
Urlaubsgarantie (Reiseabbruch-Versicherung)
[…]
2. Wann liegt ein Versicherungsfall vor?
Die H. leistet, wenn Sie oder eine Risikoperson von einem versicherten Ereignis betroffen sind und die planmäßige Beendigung der versicherten Reise dadurch für Sie nicht zumutbar ist.
3. Welche Ereignisse sind versichert?
1. Unerwartete und schwere Erkrankung, Tod, Unfallverletzung oder Schwangerschaft;
[…]
6. Welche Einschränkungen des Versicherungsschutzes sind zu beachten?
1. Vorerkrankungen
Nicht versichert sind Erkrankungen, die zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses bekannt und in den letzten 6 Monaten vor Versicherungsabschluss behandelt worden sind.
[…]
7. Wann fällt eine Selbstbeteiligung an?
Soweit nicht anders vereinbart gilt: Im Falle einer unerwarteten und schweren Erkrankung, die ambulant behandelt wird, beträgt der Selbstbehalt 20 % des erstattungsfähigen Schadens, mindestens 25,– EUR je versicherte Person bzw. Objekt. […]“
2 Aus den Gründen:
[7] I. Nach Auffassung des BG hat der Kl. gegen die Bekl. keinen Anspruch auf Unterlassung gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 der in ihren Versicherungsbedingungen verwendeten Klauseln mit der Formulierung "unerwartete und schwere Erkrankung". Die Klauseln seien weder gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot noch im Übrigen gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam oder überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB. …
[11] II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
[12] 1. Zu Recht hat das BG einen Anspruch des Kl. auf Unterlassung der beanstandeten Formulierung "unerwartete und schwere" Erkrankung aus § 1 UKlaG verneint.
[13] a) Dies gilt zunächst, soweit die Bekl. diese Formulierung jeweils in Teil B Nr. 3 VB sowohl für die Reise-Rücktrittsversicherung als auch die Reiseabbruch-Versicherung zur Bestimmung der versicherten Ereignisse verwendet.
[14] aa) Entgegen der Ansicht der Revision sind die Klauseln jeweils in Teil B Nr. 3 VB nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen einer unangemessenen Benachteiligung der VN entgegen den Geboten von Treu und Glauben unwirksam. Soweit das BG offengelassen hat, ob die Klauseln nach Maßgabe von § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB überhaupt einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB unterliegen, ist diese Frage zu verneinen.
[15] (1) § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB beschränkt die Inhaltskontrolle auf Klauseln, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen. Kontrollfrei bleiben bloße Leistungsbeschreibungen, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistungen festlegen. Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, sind hingegen inhaltlich zu kontrollieren. Damit bleibt für die der Überprüfung entzogene Leistungsbeschreibung nur der enge Bereich der Leistungsbezeichnungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann (vgl. Senat VersR 2022, 312 Rn 25 m.w.N.).
[16] (2) Danach gehören die beanstandeten Klauseln jeweils in Teil B Nr. 3 VB zu dem ...