[1] I. Der Kläger begehrt nach einem Verkehrsunfall am 21.10.2019 in L., bei dem er im Bereich einer Straßenbaustelle, auf der er als Fahrbahnmarkierer tätig war, vom Pkw der Beklagten zu 2, der bei der Beklagten zu 1 versichert war, angefahren wurde, materiellen Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie die Feststellung der Haftung für künftige Schäden. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach zu jedenfalls 75 % steht außer Streit. Insoweit hat die Beklagte zu 1 die Haftung vorprozessual mit Schreiben vom 25.5.2020 sowie nach Rechtshängigkeit mit Schreiben vom 11.2.2021 anerkannt; wegen des Inhalts der Schreiben im Einzelnen wird auf diese verwiesen.

[2] Die Parteien streiten über die Zulässigkeit des Feststellungsantrags und in der Sache zum Grund darüber, ob die Beklagten vollumfänglich haften oder ob den Kläger ein Mitverschulden am Unfall trifft und er sich dies mit 25 % anrechnen lassen muss.

[3] Gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, des Vorbringens der Parteien im Einzelnen und der erstinstanzlichen Anträge auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

[4] Mit am 03.6.2022 verkündeten Urteil, Tenor und Tatbestand berichtigt durch Beschl. v. 11.8.2022, hat das Landgericht nach Anhörung der Parteien und Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung und Einholung eines Sachverständigengutachtens im Wege eines Teilgrund- und Teilendurteils die Klage hinsichtlich des Verdienstausfallschadens und des Schmerzensgeldes dem Grunde nach zu 75 % für begründet erklärt und im selben Umfang die Feststellung der Haftung für künftige Schäden ausgesprochen. Zudem ist unter Ziff. 4 tenoriert: "Im Übrigen wird die Klage abgewiesen." Zur Begründung führt das Landgericht im Wesentlichen Folgendes aus:

[5] Die Klage sei "weitgehend" zulässig. Denn der Kläger begehre die Feststellung einer weitergehenden als die von der Beklagten zu 2 [gemeint: zu 1] anerkannte Haftung, daher bestehe sein Rechtsschutzbedürfnis.

[6] Die Klage sei hinsichtlich der Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld dem Grunde nach entscheidungsreif, insoweit ergehe ein Grundurteil. Die Feststellungsklage sei insgesamt entscheidungsreif, insoweit ergehe Teilendurteil.

[7] Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 75 % dem Grunde nach zu. Den Kläger treffe eine Mithaftung an dem Unfall. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Kläger gegen die erforderliche Sorgfalt gemäß § 1 StVO verstoßen habe. Er habe auf der Fahrbahn, vornübergebeugt und mit dem Rücken zum fließenden Verkehr, gearbeitet und dem fließenden Verkehr nicht die erforderliche Aufmerksamkeit geschenkt. Als Fußgänger auf der nicht abgesperrten Fahrbahn habe ihn eine gesteigerte Sorgfaltspflicht getroffen; ihm falle daher ein Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO zur Last. Weitere Verursachungsbeiträge der Beklagten zu 1 [gemeint: zu 2] habe der Kläger nicht bewiesen. Eine überhöhte Geschwindigkeit und dass die Beklagte zu 2 den Kläger aufgrund mangelnder Sehkraft oder aus sorgfaltswidrigem Verhalten nicht gesehen habe, sei nicht bewiesen. Ein fehlendes Blinken sei ebenfalls nicht bewiesen, auch sei eine Unfallursächlichkeit nicht ersichtlich. Gleichwohl könne der Beklagten zu 2 vorgeworfen werden, den Kläger aufgrund eines fahrlässigen Verstoßes gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht gesehen zu haben. Wegen der Erwägungen des Landgerichts im Einzelnen wird auf die Ausführungen unter Ziffer II der Entscheidungsgründe, LGU S. 7 bis 13, verwiesen.

[8] Eine Haftungsquote von 75 % zu Lasten der Beklagten sei sachgerecht. Auf Beklagtenseite seien die Betriebsgefahr und ein Sorgfaltspflichtverstoß einzustellen; das Mitverschulden des Klägers sei als erheblich zu bewerten.

[9] Die Feststellungsklage sei "zulässig [und] begründet".

[10] Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit ihren Berufungen. Der Kläger erstrebt die Alleinhaftung der Beklagten, die Beklagten wenden sich gegen den Feststellungsausspruch.

[11] Der Kläger wendet sich gegen die Annahme eines Mitverschuldens. Er meint, keine der vom Landgericht herangezogenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des OLG Celle “passt', um eine 25 %-ige Mithaftung zu begründen. Auf die Entscheidung zu VI ZR 280/64 habe das Landgericht auch nicht hingewiesen. § 25 Abs. 3 StVO hält der Kläger – sinngemäß – nicht für einschlägig, weil er kein Fußgänger gewesen sei, sondern auf der Fahrbahn gearbeitet habe. Das Landgericht hätte sich auch nicht auf das Sachverständigengutachten stützen dürfen, sondern hätte ein Obergutachten einholen müssen. Das Landgericht habe zu Unrecht die "Wurfweite des Klägers" [gemeint: wie weit der Kläger durch den Anstoß geschleudert wurde] nicht berücksichtigt; die Ausführungen des Sachverständigen dazu seien jedenfalls nicht nachvollziehbar. Der äußerst schwere Verschuldensvorwurf gegen die Beklagte zu 2 lasse ein etwaiges Mitverschulden des Klägers vollständig in den Hintergrund treten.

[12] Der Kläger beantragt,

[13] den Anspruch des Klägers auf Er...

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