VVG § 86; BGB § 280 § 823 Abs. 2; StGB § 142
Leitsatz
1. In der Kasko-Versicherung ist der Fahrer eines Kfz nicht mitversichert und damit grds. wie ein beliebiger Dritter zu behandeln.
2. Trifft einen beim VN angestellter Fahrer an der Schadensherbeiführung nur leichte Fahrlässigkeit, bestehen keine Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die der VR auf sich überleiten könnte.
3. § 142 StGB stellt kein Schutzgesetz zugunsten des Kaskoversicherers dar.
OLG Dresden, Beschl. v. 21.8.2023 – 4 U 476/23
1 Sachverhalt
Die Kl. nimmt den Bekl. im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft anstelle des K-Versichers in Anspruch.
Die Kl. wurde mit Vollmacht vom 2.5.2011 von dem VR bevollmächtigt, unter anderem Regressforderungen aus Schadensfällen gerichtlich im eigenen Namen einzuziehen. Die P … Spezialtiefbau GmbH (im Folgenden: VN) hat eine Kfz-Kaskoversicherung bei dem VR abgeschlossen. Der Bekl. ist bei der VN als LKW-Fahrer angestellt. Am 17.1.2017 befuhr der Bekl. die … -Allee in L. stadtauswärts mit dem der VN gehörenden Lkw. Gegen 18.10 Uhr kam er von der Straße ab und kollidierte mit zwei im Grünstreifen befindlichen Bäumen, wodurch sowohl die Bäume als auch der Lkw beschädigt wurden. Nach dem Unfall fuhr der Bekl. zum Firmensitz und meldete den Schaden seinem Arbeitgeber. Am Morgen des 18.1.2017 ging der Bekl. zur Polizei und meldete den Schaden. Am 18.1.2017 meldete der VN dem VR den Schaden. Der Bekl. wurde mit Urteil des wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Schaden an dem Lkw wurde vom VR reguliert.
Der Kl. hat vorgetragen, der Bekl. habe seine Pflichten aus dem Versicherungsvertrag verletzt, indem er das Schadensereignis nicht unverzüglich angezeigt und sich nicht vollständig erklärt habe. Darüber hinaus habe er den Unfallort entgegen seiner Verpflichtung verlassen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen. Insbesondere könne nun nicht mehr nachvollzogen werden, ob der Bekl. unter Alkoholeinfluss gestanden sei. Der VR habe keine Feststellungen – auch zum Schadensumfang – treffen können.
2 Aus den Gründen:
"… Die Kl. ist prozessführungsbefugt. Sie nimmt den Bekl. im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft anstelle des VR in Anspruch. Sie wurde durch die Vollmacht des VR ermächtigt, im eigenen Namen dessen Ansprüche geltend zu machen. Die Kl. hat ein schutzwürdiges Eigeninteresse an der Prozessstandschaft dargelegt, denn nach ihrem unbestritten gebliebenem Vortrag ist sie gegen Provision bevollmächtigt, offene Forderungen des VR einzuziehen."
Der Kl. steht jedoch kein Anspruch gegen den Bekl. auf Zahlung von 24.188,04 EUR zu. Der Bekl. hat zwar am 17.1.2017 den Lkw des VN beschädigt, indem er von der Fahrbahn abkam und mit zwei Bäumen kollidierte. Dabei handelt es sich um einen Unfall im Rahmen der Kasko-Versicherung. Der Kl. stehen aber weder Ansprüche des VR noch übergegangene Ansprüche des VN gemäß § 86 Abs. 1 VVG zu. Der Bekl. hat keine Pflichten gegenüber dem VR verletzt und Ansprüche aus übergegangenem Recht des VN sind nicht ersichtlich.
1. Ohne Erfolg beruft sich die Kl. auf Obliegenheitsverletzungen des Bekl. aus dem zwischen dem VR und der VN bestehenden Kfz-Kaskoversicherungsvertrag. Der Bekl. war gegenüber dem VR zu keinen Angaben verpflichtet, denn er ist weder VN noch versicherte Person.
Die Kl. hat die Versicherungsbedingungen nicht vollständig vorgelegt. Sie beziehen sich im Übrigen auch nicht auf den hier vorliegenden Kaskoschadensfall, sondern auf die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung.
Unabhängig davon bestehen die Obliegenheiten aber lediglich für den VN und gegebenenfalls auch für Mitversicherte. In der Kasko-Versicherung ist der Fahrer eines Fahrzeuges – anders als in der Kfz-Haftpflichtversicherung – mangels eines versicherten eigenen Sachinteresses aber nicht mitversicherte Person, so dass er grundsätzlich wie ein beliebiger Dritter zu behandeln ist (vgl. OLG Braunschweig, Beschl. v. 19.9.2017 – 11 U 10/17, juris: vgl. BGH, Urt. v. 30.3.1965 – VI ZR 248/63 juris). Der Bekl. hat das kaskoversicherte Fahrzeug auf Weisung des VN – seines Arbeitgebers – genutzt. Eigene Interessen an dem Fahrzeug sind nicht ersichtlich. Hinzu kommt, dass er weder am Abschluss des Versicherungsvertrages mitgewirkt hat noch sonstige Kenntnis von dessen Inhalt hatte. Ihm unter diesen Umständen vertragliche Obliegenheiten aufzuerlegen, würde dem Grundsatz der Privatautonomie widersprechen (…).
2. Der Kl. stehen auch keine Ansprüche aus übergegangenem Recht gemäß § 86 Abs. 1 VVG zu, denn sie hat nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, dass der VN als Arbeitgeberin gegen den Bekl. Ansprüche aus §§ 611 ff., 280, 823 BGB zustehen, die durch Zahlung des Schadens auf den VR gemäß § 86 Abs. 1 VVG übergegangen sind. Der Bekl. hat insoweit nicht in Abrede gestellt, dass der VR die Reparaturkosten für den Lkw an den VN in Höhe der eingeklagten Forderung bezahlt hat. Ansprüche stehen dem VR jedoch nach den Haftungsbeschränkungen im Arbeitsverhältnis nicht zu. Grundlage für die Haftungsbeschränkung ist das vom Arbeitgeber...