II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 Halbsatz 1 ZPO.
1. Es entspricht im Sinne des § 269 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 ZPO billigem Ermessen, die Beklagte mit den Kosten des Rechtsstreits zu belasten, soweit die Klägerin ihre Klage mit Schriftsatz vom 11.6.2023 in Höhe von 17.869,17 EUR aufgrund der nach Anhängigkeit, aber vor Rechtshängigkeit in dieser Höhe durch die Beklagte geleisteten Zahlungen zurückgenommen hat.
a) Ist – wie im vorliegenden Streitverhältnis hinsichtlich der von der Beklagten erbrachten Teilzahlungen – der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen, § 269 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 ZPO.
Das Gericht ist bei der (gemischten) Kostenentscheidung nach Teilklagerücknahme wie bei einer Entscheidung nach § 91a ZPO an die allgemeinen Regeln des Kostenrechts gebunden. Daher hat nach billigem Ermessen derjenige die Kosten zu tragen, dem sie bei Fortführung des Rechtsstreits nach §§ 91 ff. ZPO hätten auferlegt werden müssen. Grundsätzlich trifft somit die Partei die Kostenlast insgesamt oder anteilig, die ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich ganz oder teilweise unterlegen wäre (Flockenhaus in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. § 91a Rn 23). Dafür ist eine Erfolgsprognose auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes zu treffen. Zu würdigen sind nicht nur die unstreitigen Tatsachen und die zum Erledigungszeitpunkt vorliegenden Beweise. Auch die bei Weiterführung des Verfahrens möglichen Angriffs- und Verteidigungsmittel können zu berücksichtigen sein.
Erstrebt die klagende Partei im Fall des § 269 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 ZPO eine vom Regelfall des Satzes 2 der Vorschrift abweichende Kostenentscheidung, so hat sie darzulegen und zu beweisen, dass ihre Belastung mit Kosten billigem Ermessen widerspricht (vgl. BGH NJW 2006, 775). Maßgeblich ist insoweit, ob die beklagte Partei der klagenden Partei Veranlassung zur Klage gegeben oder ob mutwillig Klage erhoben worden ist. Veranlassung zur Klageerhebung gibt eine Partei, wenn ihr Verhalten vor dem Prozess aus der Sicht des Klägers bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass für die Annahme bietet, er werde ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu seinem Recht kommen (vgl. BGHZ 168, 57).
b) In diesem Sinne hat die Beklagte der Klägerin Veranlassung zur Klageerhebung gegeben, indem sie die drei vorgerichtlichen Anwaltsschreiben vom 21.2.2023, vom 22.2.2023 sowie vom 21.3.2023 innerhalb der jeweils gesetzten Fristen nicht beantwortet hat. Sie hat innerhalb der Fristen weder durch eine Antwort auf die jeweiligen Aufforderungen des Klägervertreters, noch durch eine Zwischennachricht reagiert, obwohl aus der Sicht der Klägerin eine zeitnahe Reaktion zu erwarten war.
Ein Geschädigter hat nach einem Verkehrsunfall regelmäßig ein erhebliches Interesse daran, dass sein Schaden von der gegnerischen Haftpflichtversicherung innerhalb kurzer Zeit reguliert wird. Die meisten Geschädigten sind auf ein Kraftfahrzeug angewiesen und benötigen zeitnahe Zahlungen, um eine Reparatur des Fahrzeugs zu veranlassen, oder um ein Ersatzfahrzeug zu beschaffen. Wenn – wie vorliegend – der Unfallablauf einfach und aus der Sicht des Geschädigten geklärt ist, erwartet ein Geschädigter zu Recht, dass sich die gegnerische Haftpflichtversicherung um eine zügige Abwicklung der aus ihrer Sicht erforderlichen Formalitäten bemüht (vgl. OLG Karlsruhe VersR 2020, 377).
Die Regulierung von Schadensersatzansprüchen nach Verkehrsunfällen ist für Haftpflichtversicherungen ein Massengeschäft. Es ist in der Praxis üblich, dass Haftpflichtversicherer ihren Betrieb so organisiert haben, dass die zuständigen Sachbearbeiter zeitnah auf die Geltendmachung von Haftpflichtansprüchen reagieren können, und zeitnah die notwendigen Klärungen (Anforderung ergänzender Belege etc.) herbeiführen. Es ist aus der Sicht des Geschädigten zu erwarten, dass ein Haftpflichtversicherer auf ein erstes Anspruchsschreiben innerhalb weniger Tage, jedenfalls binnen 10 Tagen, reagieren kann und tatsächlich reagiert. Das bedeutet zwar für viele Fälle noch nicht, dass damit auch bereits eine vollständige Regulierung erfolgt. Es ist jedoch – mindestens – zu erwarten, dass ein Geschädigter aus einem kurzfristigen Antwortschreiben des Versicherers erkennen kann, wie und gegebenenfalls mit welchem Ermittlungs- und Zeitbedarf die weitere Bearbeitung des Haftpflichtfalles beim Versicherer erfolgt.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass im Geschäftsleben bei außergerichtlichen Anwaltsschreiben eine Beachtung und Berücksichtigung der jeweils gesetzten Fristen üblich ist. Die Klägerin durfte erwarten, dass die von ihrem Anwalt mit den Schreiben vom 21. und 22.2.2023 gesetzten Fristen, die mit jeweils mehr als 20 Tagen mehr als auskömmlich bemessen waren, von der Beklagten berücksi...