I. Der Meinungsstand

Die neuere Rspr. des BGH, beginnend mit dem Beschluss des VIII. ZS des BGH v. 22.1.2008 NJW 2008, 1323 = RVGreport 2008, 148 (Hansens) = zfs 2008, 288 m. Anm. Hansens = AnwBl. 2008, 378 = AGS 2008, 158, nach der die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren stets zu berücksichtigen ist, ergreift auch das Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG betreffend die Festsetzung der Vergütung des Prozesskostenhilfe-Anwalts. Wie sich die Rspr. des BGH im Einzelnen auf den Vergütungsanspruch des Prozesskostenhilfe-Anwalts gegen die Staatskasse auswirkt, ist umstritten:

  • Nach Auffassung des VG Berlin RVGreport 2008, 220 (Hansens) = zfs 2008,346 m. Anm. Hansens ist die Anrechnung überhaupt nicht zu berücksichtigen.
  • Nach Auffassung des OLG Stuttgart RVGreport 2008, 106 (Hansens) = JurBüro 2008, 2450 = AGS 2008, 561 sowie von Ascher, MDR 2008, 477, 479 und von Enders, JurBüro 2008, 561 ff. ist die Anrechnung nur dann zu berücksichtigen, wenn der Mandant dem PKH-Anwalt die Geschäftsgebühr gezahlt hat.
  • Demgegenüber vertreten das LAG Düsseldorf RVGreport 2008, 142 (Hansens), das LAG Köln RVGreport 2007, 457 (Ders.), das Nds. OVG RVGreport 2008, 221 (Ders.), das VG Minden RVGreport 2007, 456 (Ders.) und RVGreport 2008, 107 (Ders.) ,das VG Ansbach RVGreport 2008, 344 (Ders.), der 2. FamS des OLG Oldenburg RVGreport 2008, 260 (Ders.), das OLG Bamberg RVGreport 2008, 343 (Ders.), das OLG Düsseldorf hier sowie das OLG Celle, Beschl. v. 13.11.2008 – 10 WF 312/08 – , das Nds.OVG, Beschl. v. 27.11.2008 – 13 OA 190/08- , das OLG Koblenz, Beschl. v. 14.11.2008 – 9 WF 728/08 – und das OLG Braunschweig, Beschl. v. 12.9.2008 – 2 W 358/08 – die Auffassung, die Anrechnung der Geschäftsgebühr sei auch dann zu berücksichtigen, wenn der Mandant dem PKH-Anwalt die Geschäftsgebühr nicht gezahlt habe.
  • Eine Sonderstellung nimmt die Entscheidung des 5. ZS des OLG Oldenburg RVGreport 2008, 345 (Hansens) = JurBüro 2008, 528 ein, der lediglich die Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV RVG anstatt der tatsächlich entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG zur Hälfte, also mit 35,- EUR anrechnen will, weil der Rechtsanwalt seinen Mandanten darüber hätte belehren müssen, dass er vorgerichtlich im Rahmen der Beratungshilfe hätte tätig werden sollen. Das OLG stellt also einen Zusammenhang mit einem etwaigen Schadensersatzanspruch des Mandanten gegen seinen Rechtsanwalt und dessen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse her.

Bei den Gerichten, die die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die dem Prozesskostenhilfe-Anwalt aus der Staatskasse zustehenden Verfahrensgebühr unabhängig von ihrer Zahlung vornehmen wollen, gibt es wiederum unterschiedliche Auffassungen dazu, wie diese Anrechnung zu erfolgen hat.

  • Nach Auffassung des OLG Frankfurt JurBüro 2007, 148 und von Hansens, RVGreport 2008, 1,4 sowie von Enders, JurBüro 2005, 282; 2008, 561, 562 ist die Anrechnung entsprechend § 58 Abs. 2 RVG zunächst auf die Differenz zwischen Wahlanwaltsvergütung und der Prozesskostenhilfevergütung vorzunehmen. Dies kann dazu führen, dass die Anrechnung nicht zu einer Kürzung des Vergütungsanspruchs gegen die Staatskasse führt. Das OLG Düsseldorf und das OLG Celle, a.a.O. lehnen dies ausdrücklich ab.
  • Nach Auffassung des Nds. OVG, des OLG Koblenz und des OLG Braunschweig, je a.a.O., ist die teilweise Anrechnung der nach der Wahlanwaltsgebührentabelle des § 13 RVG angefallenen Geschäftsgebühr auf die dem Prozesskostenhilfe-Anwalt nach der Tabelle des § 49 RVG aus der Staatskasse zustehenden Verfahrensgebühr durchzuführen. Dies kann bei hohen Gegenstandswerten trotz der nur teilweise vorzunehmenden Anrechnung der Geschäftsgebühr dazu führen, dass von der Verfahrensgebühr des Prozesskostenhilfe-Anwalts nichts mehr übrig bleibt.
  • Das OLG Düsseldorf hingegen legt der Anrechnung nur eine Geschäftsgebühr nach der Tabelle des § 49 RVG zugrunde (so auch Volpert,VRR 2008, 171,173). Dies führt dazu, dass dem Prozesskostenhilfe-Anwalt bei Anfall einer 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG selbst bei Berücksichtigung des höchsten Anrechnungssatzes von 0,75 gegenüber der Staatskasse immerhin noch ein Anspruch auf eine 0,55 Verfahrensgebühr verbleibt.

II. Mandatsgestaltung zur Vermeidung der Anrechnung

Die auch hier vom OLG Düsseldorf vertretene Auffassung, dass die in Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG vorgesehene teilweise Anrechnung der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr auf die im gerichtlichen Verfahren angefallene Verfahrensgebühr beim Prozesskostenhilfe-Anwalt unabhängig davon zu berücksichtigen ist, ob die Geschäftsgebühr gezahlt worden ist, setzt sich in der Rspr. immer mehr durch. Um zu vermeiden, dass der ohnehin nicht üppige Anspruch gegen die Staatskasse durch die Anrechnung der Geschäftsgebühr noch mehr geschmälert wird, sollte der Prozesskostenhilfe-Anwalt den Anfall einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 ff. VV RVG möglichst vermeiden. Gesetzliche Regelungen, nach denen die Staatskasse dies dem Prozesskostenhilfe-Anwalt v...

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