StVG § 17 Abs. 1; StVG § 37 Abs. 2 Nr. 1; ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
Leitsatz
a) Eine Bindung an die Tatsachenfeststellung des erstinstanzlichen Gerichts auf Grund einer Beweiswürdigung ist dann anzunehmen, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges sich an die Grundsätze der freien Beweiswürdigung gehalten hat und das Berufungsgericht keinen Anlass sieht, vorn Ergebnis der Beweiswürdigung abzuweichen. (Leitsatz der Schriftleitung)
b) Je länger der Kreuzungsräumer auf der Kreuzung verharrt, wird dieser beachten müssen, dass der übrige Verkehr daraus schließen kann, er werde nicht weiterfahren. Ein solcher Kreuzungsräumer darf nicht an- oder weiterfahren, ohne sich vergewissert zu haben, dass ein Zusammenstoß mit einfahrenden Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.
c) Fährt der Kreuzungsräumer in dieser Situation unbedacht an, kann dies zu einer Abweichung von der Regelhaftung des Kreuzungsräumers von 1/3 führen. Das gilt vor allem dann, wenn der Teilnehmer des Querverkehrs sich sicher sein kann, dass der hängen gebliebene Kreuzungsräumer ihm die Vorfahrt lassen werde.
(Leitsätze des Einsenders)
KG, Beschl. v. 8.9.2008 – 12 U 194/08
Sachverhalt
Die Klägerin hat die Verurteilung der Beklagten aus einer Kollision des Fahrzeuges der Klägerin mit dem Kraftfahrzeug des Beklagten zu 1), das bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist, verfolgt.
Der Vater der Klägerin fuhr mit ihrem Kraftfahrzeug in den Bereich einer Kreuzung ein, um nach links abzzubiegen. Wegen des Gegenverkehrs musste er im Kreuzungsbereich anhalten. Bei der Anfahrt zum Verlassen des Kreuzungsbereichs stieß er aus zwischen den Parteien streitigen Gründen mit dem geradeaus fahrenden Transporter der Beklagten zu 1) zusammen. Nach der Darstellung der Klägerin sei der Zusammenstoß darauf zurückzuführen gewesen, dass die Beklagte zu 1) von der äußersten rechten Spur auf die mittlere Spur gewechselt sei und dabei mit dem stehenden Fahrzeug der Klägerin kollidiert sei. Nach der Darstellung der Beklagten sei es zu der Kollision deshalb gekommen, weil der Fahrer des Fahrzeuges der Klägerin, ohne auf den Gegenverkehr zu achten, losgefahren sei. Das LG hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Das LG legte zu Grunde, dass der von der Klägerin behauptete Unfallhergang nicht bewiesen sei. Vielmehr stehe es fest, dass der Vater der Klägerin mit deren Fahrzeug vor der Kollision eine erhebliche Zeitspanne gestanden habe, der Vater der Klägerin plötzlich ohne Beachtung des Gegenverkehrs losgefahren sei und deshalb mit dem Fahrzeug der Beklagten zu 1) zusammengestoßen sei.
Der Senat wies darauf hin, dass die Berufung der Klägerin keine Aussicht auf Erfolg habe.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: „… Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.
Nach § 513 Absatz 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
Beides ist nicht der Fall.
Der Senat folgt den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet worden sind. Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:
a) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen.
Dies ist nicht der Fall, wenn sich das Gericht des ersten Rechtszuges bei der Tatsachenfeststellung an die Grundsätze der freien Beweiswürdigung des § 286 ZPO gehalten hat und das Berufungsgericht keinen Anlass sieht, vom Ergebnis der Beweiswürdigung abzuweichen (st. Rspr., vgl. Senat, Urt. v. 8.1.2004 – 12 U 184/02; vgl. auch KG [22. ZS] KGR 2004, 38 = MDR 2004, 533; Senat, Urt. v. 8.1.2004 – 12 U 184/02 – KGR 2004, 269).
§ 286 ZPO fordert den Richter auf, nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Das bedeutet, dass er lediglich an Denk- und Naturgesetze sowie an Erfahrungssätze und ausnahmsweise gesetzliche Beweisregeln gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf. So darf er bspw. einer Partei mehr glauben als einem beeideten Zeugen oder trotz mehrerer bestätigender Zeugenaussagen das Gegenteil einer Beweisbehauptung feststellen (Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 286 Rn 13).
Die leitenden Gründe und die wesentlichen Gesichtspunkte für seine Überzeugungsbildung hat das Gericht nachvollziehbar im Urteil darzulegen. Dabei ist es nicht erforderlich, auf jedes einzelne Parteivorbringen und Beweismittel ausführlich einzugehen; es genügt, dass nach der Gesamtheit der Gründe eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat (Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl. 2007, § 286 Rn 3, 5).
b) An diese Regeln der freien Beweiswürdigung hat das LG sich im angefochtenen Urteil gehalten; der Senat folgt der Beweiswürdigung auch in der Sache.
So hat das LG rechtsfehlerfrei und zut...