a) Die richterliche Schadensschätzung ist in der Praxis wohl das wichtigste Instrument zur Erfassung und Bemessung des Schadens. Hier kann man von einem echten Gestaltungsspielraum des Richters sprechen, weil er in besonderem Maß frei gestellt ist; denn die Ermittlung der Schadenshöhe liegt nach § 287 ZPO im freien tatrichterlichen Ermessen und ist vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder der Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat. Dass dem Revisionsgericht hier enge Grenzen gesetzt sind, erklärt dessen Zurückhaltung bei der Nachprüfung tatrichterlicher Schadensbemessung und die geringe Erfolgsaussicht von Rechtsmitteln, die sich hiergegen wenden. Insoweit besteht nur dann Anlass zum Einschreiten, wenn rechtliche Aspekte das gebieten bzw. Besonderheiten des Sachverhalts, die auch für ähnlich gelagerte Fälle von Bedeutung sein können, eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich machen. Dann kann es auch zur Entscheidung von Detailfragen kommen, etwa in einem Fall, in dem ein Geschädigter, der infolge eines Motorradunfalls querschnittgelähmt ist und vom Schädiger bereits Ersatz der Kosten für den behindertengerechten Umbau seines Pkw erhalten hatte, zusätzlich Ersatz der Kosten für einen solchen Umbau auch seines Motorrades verlangte.
b) Eine besondere Rolle spielt die tatrichterliche Schätzung beim Schmerzensgeld bzw. der Schmerzensgeldrente. In einem neueren Fall wurde die Klägerin im Alter von sieben Jahren durch eine Kleinbahn schwer verletzt, so dass in der Folgezeit mehrere Beinamputationen erforderlich wurden. Nach einem 1998 geschlossenen Abfindungsvergleich verlangte die Klägerin unter Berufung auf § 323 ZPO eine billige Erhöhung des Rentenbetrages, weil inzwischen der Lebenshaltungskostenindex um 16,25 % gestiegen sei. Der Senat hat die Möglichkeit einer Abänderung im Grundsatz bejaht, wenn nämlich die Abwägung aller Umstände ergebe, dass die bisherige Rente ihre Funktion eines billigen Schadensausgleichs nicht mehr erfülle. Im konkreten Fall hat er jedoch unter Hinweis auf das breite Schätzungsermessen des Berufungsgerichts dessen Auffassung gebilligt, wonach die Abänderung einer Schmerzensgeldrente bei einer unter 25 % liegenden Steigerung des Lebenshaltungskostenindexes nicht gerechtfertigt war.
c) Auch kann eine verbreitete Schadenspraxis der Instanzgerichte Anlass dazu geben, ihr durch eine höchstrichterliche Entscheidung allgemeine Geltung zu verschaffen. So hat es der BGH in einem Grundsatzurteil von 1991 gebilligt, dass Tatrichter wiederholt in Ausübung ihres Ermessens nach § 287 Abs. 1 ZPO bei den Reparaturkosten für unfallbeschädigte Kraftfahrzeuge einen Zuschlag von 30 % auf den Zeitwert als erstattungsfähig anerkannt hatten. Hier ist aus einer richterlichen Schadensschätzung in Einzelfällen eine kontinuierliche höchstrichterliche Rechtsprechung hervorgegangen, die von großer Bedeutung für die Schadenspraxis unter Einschluss der außergerichtlichen Regulierung ist.