Immer wieder wird bei einer Klage auf Ersatz des Verdienstausfallschadens von Seiten der Beklagten eingewendet, der Kläger hätte den Schaden durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit zumindest mindern können. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung, nach der der Geschädigte verpflichtet ist, seine verbliebene Arbeitskraft in den Grenzen des Zumutbaren so nutzbringend wie möglich zu verwerten.
Problematisch ist in der Praxis nicht dieser Grundsatz, sondern die Frage, wie im Einzelfall eine Verletzung der Schadensminderungspflicht nachgewiesen werden kann. Zur Durchsetzung des vollen Schadensersatzanspruchs wegen eines Verdienstausfalls oder für die erfolgreiche Behauptung einer Verletzung der Schadensminderungspflicht seitens des Geschädigten ist es deshalb wichtig, sich die Behauptungs- und Beweislast in solchen Konstellationen klar zu machen.
Nach allgemeinen Grundsätzen trägt die Behauptungs- und Beweislast für die zur Anwendung des § 254 BGB führenden Umstände grundsätzlich der Schädiger, der damit seine Ersatzpflicht mindern oder beseitigen will. Dabei darf dem Schädiger allerdings nichts Unmögliches auferlegt werden. Er kann namentlich beanspruchen, dass der Geschädigte an der Beweisführung mitwirkt, soweit es sich um Umstände aus seiner Sphäre handelt. Dies bedeutet hinsichtlich der Aufnahme einer zumutbaren Arbeit Folgendes:
Der verklagte Schädiger muss grundsätzlich beweisen, dass es dem Verletzten nach den gesamten Umständen seiner persönlichen Lage möglich und (unter Berücksichtigung seines Alters und seiner Persönlichkeit, Ausbildung und bisherigen Lebensstellung) zumutbar war, eine andere als die ihm infolge des Unfalls unmöglich gewordene Arbeit aufzunehmen. Die Frage der Beweislast stellt sich aber erst nach Ausschöpfung aller angebotenen Beweismittel und der sonstigen in der ZPO zur Aufklärung des Sachverhalts vorgesehenen Möglichkeiten. Darum kann aus dieser Beweislastregelung nicht gefolgert werden, der Verletzte brauche sich selbst nicht um eine Arbeitsaufnahme zu kümmern. Vielmehr trifft ihn in erster Linie die Pflicht, sich ernstlich darum zu bemühen, die ihm verbliebene Arbeitskraft nutzbringend zu verwerten. Die mangelnde Bereitschaft des Verletzten, sich um einen anderen Verdienst zu bemühen, kann bereits eine Verletzung der ihm nach § 254 Abs. 2 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht bedeuten. Muss somit zwar der Schädiger die Voraussetzungen seines Einwandes aus § 254 Abs. 2 BGB beweisen, so ändert das nichts daran, dass der Verletzte zunächst seiner Darlegungslast genügen muss. Dazu wird er in der Regel darüber unterrichten müssen, welche Arbeitsmöglichkeiten ihm zumutbar und durchführbar erscheinen und was er bereits unternommen hat, um einen angemessenen Arbeitsplatz zu erhalten. Hat der Verletzte nichts unternommen, um die ihm verbliebene Arbeitskraft zu verwerten, kann der Tatrichter je nach Gestaltung des Falles die Regeln des Anscheinsbeweises heranziehen, die unter Umständen sogar bis zur Umkehr der Beweislast führen können.
Andererseits setzt die Verpflichtung zur Verwertung der Arbeitskraft voraus, dass der Verletzte überhaupt die Möglichkeit hat, die verbliebene Arbeitskraft gewinnbringend einzusetzen. Deshalb ist der Verletzte zwar grundsätzlich gehalten, im Rahmen der Zumutbarkeit an Umschulungsmaßnahmen teilzunehmen. Die Bejahung dieser Pflicht setzt aber voraus, dass überhaupt eine Aussicht auf einen Erfolg der Umschulung und eine nutzbringende Tätigkeit in dem neuen Beruf besteht. Ebenso ist der Einwand des Verletzten relevant, dass für ihn der allgemeine Arbeitsmarkt verschlossen sei. Hat der Schädiger aber eine konkret zumutbare Arbeitsmöglichkeit nachgewiesen, ist es Sache des Verletzten, darzulegen und zu beweisen, warum er diese Möglichkeit nicht hat nutzen können.