RVG § 46; VV RVG Nr. 7000
1. Der zur Verfahrenssicherung bestellte Pflichtverteidiger muss sich zur Akteneinsicht nicht auf von einem anderen Verteidiger gefertigte Ablichtungen des Aktenauszugs verweisen lassen.
2. Eine Dokumentenpauschale in Höhe von 15.657 EUR für die Fertigung eines Aktenauszugs im Umfang von 104.226 Seiten kann in einem umfangreichen Strafverfahren erforderlich i.S.v. § 46 RVG sein.
3. Die Fertigung eines vollständigen Aktenauszuges ist auch dann erforderlich, wenn die Gerichtsakten (teilweise) in digitalisierter Form vorliegen, dort jedoch mehrfach einige Seiten nicht von der Digitalisierung erfasst worden sind.
(Leitsätze des Bearbeiters)
OLG Köln, Beschl. v. 11.12.2009 – 2 Ws 496/09
Die Rechtsanwältin war in einer umfangreichen Strafsache neben einem anderen Verteidiger zur Pflichtverteidigerin des Angeklagten bestellt worden. Aus den Gerichtsakten fertigte sie 104.266 Ablichtungen, wofür sie im Verfahren auf Festsetzung der Pflichtverteidiger-Vergütung eine Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Nr. 1a) VV RVG von netto 15.657,40 EUR berechnete. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat hiervon 10.441,10 EUR abgesetzt. Auf die hiergegen gerichtete Erinnerung der Pflichtverteidigerin hat das LG die Auslagen antragsgemäß festgesetzt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Bezirksrevisors hat das OLG zurückgewiesen.
Aus den Gründen:
" Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden kann, hat die Strafkammer der Pflichtverteidigerin des Angeklagten D. die von ihr geltend gemachten Kopierkosten gem. Ziff. 7000 VV-RVG in voller Höhe von 15.657,40 EUR zuerkannt. Eine Absetzung gem. § 46 Abs. 1 RVG kommt nicht in Betracht. Mit Rücksicht auf die Beschwerdebegründung ist lediglich Folgendes hervorzuheben:"
Dem Gedanken, dass es sich bei den von der Pflichtverteidigerin zum Ausgleich angemeldeten Kopierkosten um nicht erforderliche Auslagen i.S.d. § 46 Abs. 1 RVG handelt, wäre in der Tat näher zu treten, wenn der Akteninhalt vollständig und verlässlich in digitalisierter Form zu einem Zeitpunkt vorgelegen hätte, zu dem sich die Pflichtverteidigerin noch in den Verfahrensstoff einarbeiten konnte. Dann könnte die Pflichtverteidigerin u.U. auf diese Form der Information über den Akteninhalt verwiesen werden und die Fertigung von Ablichtungen stellte sich als nicht erforderlich dar. Indessen kann vom Vorliegen des vollständigen Akteninhalts in verlässlicher digitalisierter Form nicht ausgegangen werden, so dass die Pflichtverteidigerin für die Führung des Mandats auf die von ihr gefertigten Ablichtungen aus den Originalakten angewiesen war. Ausweislich des Vermerks des Vorsitzenden der Strafkammer vom 20.10.2009 stand zum Zeitpunkt der Anklageerhebung nur ein Teil der anklagerelevanten Fallakten (2, 5, 7, 8, 21 und 36) in digitalisierter Form zur Verfügung. Die restlichen anklagerelevanten Fallakten wurden erst einige Monate nach Beginn der Hauptverhandlung in digitalisierte Form überführt. Zu diesem Zeitpunkt waren aber die Kopierkosten bereits angefallen. Hinzu kommt, dass die digitalisierte Form den Akteninhalt nicht verlässlich wiedergibt. Der Vorsitzende der Strafkammer hat hierzu ausgeführt, dass die digitalisierte Fassung vereinzelt Seiten übersprungen habe. Es liegt aber auf der Hand, dass die Pflichtverteidigerin, deren Bestellung ohne jede Einschränkung erfolgt ist, zur Führung des Mandats einerseits auf vollständige Akten angewiesen ist und dass andererseits ein "Abgleich" daraufhin, welche Aktenseiten bei der Digitalisierung übersprungen worden sind (um nur diese abzulichten) mit unzumutbarem Arbeitsaufwand verbunden gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund kann die Erforderlichkeit des Fertigens vollständiger Ablichtungen nicht verneint werden.
Dazu, dass die Beschwerdegegnerin nicht auf die von Rechtsanwalt H. gefertigten Ablichtungen verwiesen werden kann, hat die Strafkammer bereits alles Nötige ausgeführt; hierauf wird Bezug genommen. Gerade zur Verfahrenssicherung war die Beschwerdegegnerin auf vollständige Ablichtungen aus den Akten angewiesen. Es versteht sich schließlich von selbst, dass die Beschwerdegegnerin aus den oben zum Abgleich der digitalisierten mit der papierenen Aktenform ausgeführten Gründen nicht darauf verwiesen werden konnte, nur diejenigen Unterlagen abzulichten, die dem sog. "Erstverteidiger" nicht vorlagen.’
Gem. § 46 Abs. 1 RVG werden Auslagen, zu denen auch die Dokumentenpauschale gehört, aus der Staatskasse nur dann nicht vergütet, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich waren. Aus der negativen Fassung des Gesetzestextes folgt, dass die Staatskasse die Darlegungslast dafür hat, dass die Fertigung eines vollständigen Aktenauszugs für den beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalt, hier für die Pflichtverteidigerin, nicht erforderlich war. Etwaige Zweifel gehen daher zu Lasten der Staatskasse, so OLG Düsseldorf Rpfleger 2002, 224 = BRAGOreport 2002, 79. Das OLG Köln hat in seiner ...