BGB § 249 Abs. 2 S. 1; ZPO § 287
1) Im Falle eines wirtschaftlichen Totalschadens kann der Geschädigte, der ein Sachverständigengutachten einholt, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, und im Vertrauen auf den darin genannten Restwert und die sich daraus ergebende Schadensersatzleistung des Unfallgegners sein Fahrzeug reparieren lässt und weiternutzt, seiner Schadensabrechnung grundsätzlich diesen Restwertbetrag zu Grunde legen.
2) Der vom Geschädigten mit der Schadensschätzung zum Zwecke der Schadensregulierung beauftragte Sachverständige hat als geeignete Schätzgrundlage für den Restwert im Regelfall drei Angebote auf dem maßgeblichen regionalen Markt zu ermitteln und diese in seinem Gutachten konkret zu benennen.
BGH, Urt. v. 13.10.2009 – VI ZR 318/09
Der Kläger macht restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 11.7.2007 geltend, für dessen Folgen die Beklagte als Haftpflichtversicherer dem Grunde nach unstreitig in vollem Umfang einzustehen hat. Der vom Kläger mit der Begutachtung des Schadens beauftragte Sachverständige ermittelte für dessen Fahrzeug, einen Mercedes Benz A 170, einen Brutto-Wiederbeschaffungswert von 5.000 EUR, Brutto-Reparaturkosten in Höhe von 7.912,87 EUR sowie einen Restwert von 1.000 EUR, zu dem es im Gutachten vom 17.7.2007 heißt: "Restwert: Angebot liegt vor 1.000 EUR" und "Der ausgewiesene Restwert basiert auf Angeboten von Interessenten". Der Kläger hat sein Fahrzeug reparieren lassen und nutzt es weiter. Die Beklagte verwies den Kläger mit Schreiben vom 2.8.2007 auf ein Restwertangebot eines spezialisierten Restwertaufkäufers in Frankfurt in Höhe von 4.210 EUR und zahlte dem Kläger lediglich einen Betrag von insgesamt 790 EUR.
Der Kläger hat einen Schaden in Höhe von 4.026 EUR (5.000 EUR Wiederbeschaffungswert abzüglich 1.000 EUR Restwert zuzüglich 26 EUR Auslagenpauschale) abzüglich gezahlter 790 EUR eingeklagt sowie Nutzungsausfall in Höhe von 686 EUR (14 Tage á 49 EUR) und vorprozessuale Anwaltskosten auf der Basis einer 1,8 Gebühr in Höhe von 747,80 EUR.
Das AG hat die Beklagte – unter Klageabweisung im Übrigen – zur Zahlung von (4.026 EUR abzüglich 790 EUR =) 3.236 EUR als Schadensersatz wegen des Fahrzeugschadens (einschließlich Auslagenpauschale) sowie von 546,68 EUR vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt. Gegen das erstinstanzliche Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt, und zwar die Beklagte, soweit sie zur Zahlung eines über 1.736 EUR Schadensersatz (unter Zugrundelegung eines Restwerts von 2.500 EUR) und 116,18 EUR vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten hinausgehenden Betrages verurteilt worden ist und der Kläger, soweit das AG seine Klage auf Nutzungsausfall in Höhe von 686 EUR nebst Zinsen abgewiesen hat.
Das LG hat den Restwert auf 2.000 EUR geschätzt und das erstinstanzliche Urteil unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und dahingehend neu gefasst, dass die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt wird, an den Kläger 2.757 EUR nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 116,18 EUR zu zahlen. Es hat die Revision zugelassen, da höchstrichterlich noch nicht entschieden sei, ob sich der Restwert im Totalschadensfall bei einer Weiternutzung des Fahrzeuges ausnahmslos auf der Grundlage eines vom Geschädigten eingeholten Sachverständigengutachtens bestimme, oder ob er jedenfalls dann, wenn seine Höhe vom Schädiger angezweifelt und nachvollziehbar dargelegt werde, im Wege richterlicher Schätzung, ggf. nach sachverständiger Beratung bestimmt werden könne. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, soweit das Berufungsgericht hinsichtlich des Restwerts das erstinstanzliche Urteil zu seinem Nachteil abgeändert hat.
Aus den Gründen:
[5] “I. Das Berufungsgericht meint, jedenfalls dann, wenn von Seiten des Gerichts nicht beurteilt werden könne, auf welcher Grundlage der vom Kläger beauftragte Sachverständige den Restwert bestimmt habe, könne dieser nicht allein maßgeblich für die Schadensberechnung sein. In diesem Fall könne und müsse das Gericht ggf. unter sachverständiger Beratung nach § 287 ZPO die Höhe des Restwertes schätzen. Bei der Bestimmung des Restwertes müsse sich der Kläger zwar nicht auf das Angebot des in Frankfurt ansässigen spezialisierten Restwertaufkäufers in Höhe von 4.210 EUR verweisen lassen, weil dieses außerhalb des dem Kläger zugänglichen allgemeinen regionalen Marktes abgegeben worden sei und die Beklagte den Kläger, der Herr des Restitutionsverfahrens sei, durch die Unterbreitung eines solchen Angebotes nicht zum Verkauf des Fahrzeugs zwingen könne. Die Beklagte habe jedoch den Nachweis erbracht, dass auf dem relevanten regionalen Markt ein höherer Restwert als der vom Kläger veranschlagte Betrag von 1.000 EUR zu realisieren gewesen sei. Der vom AG beauftragte gerichtliche Sachverständige habe Angebote von Autohäusern im regionalen Bereich eingeholt, die sich im Bereich zwischen 1.000 EUR, 2.500 EUR und 2.560 EUR bewegt hätten. Dabei sei dem Kläger...