OWiG §§ 11 Abs. 2, 17 Abs. 3 S. 2; StGB § 17 S. 2
1. Obwohl in § 11 Abs. 2 OWiG eine dem § 17 S. 2 StGB entsprechende Milderungsmöglichkeit nicht normiert ist, muss auch bei der Bußgeldbemessung eine Milderung erwogen werden.
2. Bei der Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen gem. § 17 Abs. 3 S. 2 OWiG ist die Feststellung, er habe ein geregeltes Einkommen, nichtssagend; sie trifft auch auf einen Empfänger von "Hartz IV" zu.
(Leitsätze der Einsender)
OLG Koblenz, Beschl. v. 26.2.2009 – 1 SsBs 5/09
Das AG hat den Betroffenen, einen Unternehmer, der Halter von 4 Lkw ist, wegen vorsätzlicher Nichtausstellung von Bescheinigungen über berücksichtigungsfreie Tage (§§ 20 Abs. 1 Satz 3, 21 Abs. 1 Nr. 10 FPersV) zu einer Geldbuße von 1.000 EUR verurteilt.
Einer der Beschäftigten des Betroffenen, der am 17., 19. und 20.12.2007 nicht als Fahrer eingesetzt worden war, konnte bei einer Kontrolle am 21.12.2007 keine entsprechende Bescheinigung vorlegen. Er hatte eine derartige Bescheinigung noch nie erhalten, weil der Betroffene – so die tatrichterlichen Feststellungen – "die Nachweispflicht nicht als gesetzlich erforderlich ansah".
Den Urteilsgründen ist weiterhin zu entnehmen, dass der Betroffene behauptet hatte, von der Verpflichtung zur Ausstellung derartiger Bescheinigungen keine Kenntnis gehabt zu haben. Das Gericht hielt dies für nicht glaubhaft, "unabhängig davon" aber auch einen vermeidbaren Verbotsirrtum für gegeben. Letzteres hat sich in den – der Prüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht zugrunde zulegenden – Feststellungen zur Tat niedergeschlagen.
Auf Rechtsbeschwerde des Betroffenen hebt das OLG das Urteil des AG unter Verwerfung der weitergehenden Rechtsbeschwerde im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen auf und verweist die Sache insoweit zu neuer Entscheidung an dieselbe Abteilung des AG zurück.
Aus den Gründen:
“… 2. … a) Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft unterliegt der Schuldspruch nicht deshalb der Aufhebung, weil er (auch) auf Angaben zur Sache beruht, die der Verteidiger als Vertreter des abwesenden Betroffenen gemacht hatte. Dies ist nach § 73 Abs. 3 OWiG grundsätzlich zulässig. Ob die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit dieser Norm vorlagen, wäre nur auf eine entsprechende, hier aber nicht erhobene Verfahrensrüge zu prüfen gewesen.
b) Dem Betroffenen wird ein echtes Unterlassungsdelikt vorgeworfen, bei dem die Unkenntnis von der gesetzlichen begründeten Handlungspflicht kein Tatbestandsirrtum i.S.d. §§ 16 StGB, 11 Abs. 1 OWiG ist. Vielmehr begründet mangelndes Gebotsbewusstsein einen dem Verbotsirrtum nach § 17 StGB bzw. § 11 Abs. 2 OWG gleichzustellenden Gebotsirrtum (grundlegend BGHSt 19, 295). Dass dieser Irrtum für einen Unternehmer, der sich selbstverständlich über seine Pflichten informieren muss, vermeidbar war, versteht sich von selbst. Der Schuldspruch ist somit nicht zu beanstanden.
c) Der Rechtsfolgenausspruch unterliegt demgegenüber der Aufhebung.
(1) Eine Geldbuße in Höhe von 1.000 EUR ist nicht geringfügig i.S.d. § 17 Abs. 3 S. 2 OWiG, so dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen nicht ausgeblendet werden durften. Die Feststellung, er habe ein geregeltes Einkommen, ist nichtssagend; sie trifft auch auf einen Empfänger von ‘Hartz IV’ zu. Auch Ahndungsrichtlinien machen eine einzelfallbezogene Prüfung nicht entbehrlich.
(2) Obwohl in § 11 Abs. 2 OWiG eine dem § 17 S. 2 StGB entsprechende Milderungsmöglichkeit nicht normiert ist, muss auch bei der Bußgeldbemessung eine Milderung erwogen werden (siehe dazu Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 11 Rn 29; OLG Düsseldorf v. 26.3.1993 – 5 Ss (OWi) 60/93 – juris – VRS 85, 296).