StPO §§ 16b, 163b; DSG (NW) § 13, 14; PersonalausweisG § 2b, PassG § 22
1. Die Bußgeldbehörde kann nach § 16b StPO die Kopie eines ausländischen Passes von der Ausländerbehörde anfordern, wenn dies zur Identifizierung des Betroffenen erforderlich ist. Die Ausländerbehörde kann die Übermittlung auf der Grundlage der §§ 13, 14 DSG vornehmen.
2. Die Protokollierung, ein Schriftstück sei "zum Gegenstand der Hauptverhandlung" gemacht worden, beweist regelmäßig nicht dessen Verlesung.
(Leitsätze des Einsenders Burhoff)
OLG Hamm, Beschl. v. 30.6.2009 – 3 Ss OWi 416/09
Das AG hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft zu einer Geldbuße von 150 EUR verurteilt und gleichzeitig gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.
Nach den tatrichterlichen Feststellungen befuhr der Betroffene mit einem Pkw am 12.7.2007 gegen 12.55 Uhr die BAB 2 in C in Fahrtrichtung I. Seine Fahrgeschwindigkeit betrug 174 km/h (Messung: 180 km/h abzgl. 6 km/h Toleranz), die zulässige Höchstgeschwindigkeit war dort indes durch mehrfach beiderseits aufgestellte Verkehrsschilder auf 120 km/h begrenzt.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hebt das OLG das Urteil des AG mit den zugehörigen Feststellungen auf und verweist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das AG zurück.
Aus den Gründen:
: “… II. … . Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Das Verfahrenshindernis der Verjährung ist allerdings nicht eingetreten. … .
2. Die Rechtsbeschwerde hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
a) Die Verfahrensrüge der Verletzung der §§ 46 Abs. 1 OWiG, 161 StPO, 3 Abs. 3 BDSG, 3 Abs. 2 DSG NW ist zwar nicht begründet.
aa) Mit der Rüge macht die Rechtsbeschwerde geltend, dass – nachdem der Betroffene auf den Anhörungsbogen nicht reagiert hatte – die Bußgeldbehörde die Meldebehörde der Stadt N um Übersendung einer Fotokopie des Personalausweises bzw. Reisepasses, auf dem das Lichtbild des Betroffenen zu erkennen ist, gebeten hatte. Da der Betroffene Grieche sei, habe die Ausländerbehörde der Stadt N sodann eine Kopie des Lichtbildes aus dem griechischen Pass des Betroffenen an die Bußgeldbehörde übersandt. Die Rechtsbeschwerde sieht darin eine rechtswidrige Datenübermittlung, da die eine entsprechende Datenübermittlung gestattenden Vorschriften des PersonalausweisG und des PassG hier nicht einschlägig seien und damit für die Übermittlung der Passkopie eine Rechtsgrundlage gefehlt habe. Das Beweiserhebungsverbot führe zu einem Beweisverwertungsverbot.
bb) Die Rüge ist unbegründet. Die Datenerhebung und -übermittlung – Übersendung einer Kopie aus dem griechischen Reisepass des Betroffenen von der Ausländerbehörde an die Bußgeldbehörde – war nicht rechtswidrig.
Zutreffend ist zwar, dass die Übermittlung ihren Rechtsgrund nicht in § 22 PassG oder § 2b PersonalausweisG hat. Denn nach diesen Vorschriften dürfen nur Daten aus dem Personalausweis- bzw. Passregister an andere Behörden übermittelt werden. Hierum handelt es sich bei der Übersendung einer Passkopie eines ausländisches Passes durch die Ausländerbehörde nicht. Auch war eine Übermittlung nicht nach § 89 Abs. 3 i.V.m. § 49 Abs. 3 bis 5 oder 7 AufenthG zulässig, da diese nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder polizeilichen Gefahrenabwehr erfolgen darf (Lippert, VD 2007, 183). Vorliegend handelt es sich indes um die Verfolgung bloßer Ordnungswidrigkeiten. Die Datenübermittlung stützt sich hier vielmehr auf § 14 Abs. 1 DSG NW. Die Übermittlung der Passkopie, welche personenbezogene Daten enthielt, durfte hier erfolgen, da sie zur rechtmäßigen Erfüllung der Aufgaben der Bußgeldbehörde erforderlich waren. Die Bußgeldbehörde musste hier die Identität des bei der Geschwindigkeitsüberschreitung fotografierten Täters feststellen, nachdem sich dieser nicht zur Sache eingelassen hatte (§ 35 OWiG, § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 163b StPO). Die Übermittlung war auch erforderlich, da ein anderweitiger Abgleich nur mit für den Betroffenen wesentlich beeinträchtigenderen Maßnahmen (z.B. Aufsuchen an der Wohnung oder am Arbeitsplatz oder Befragung der Nachbarn) verbunden gewesen wäre. Das hätte einen unverhältnismäßig hohen Aufwand bedeutet. Die Datenübermittlung lag damit letztlich im Interesse des Betroffenen (§ 13 Abs. 2 S. 1 lit. e DSG NW; vgl. auch Lippert, VD 2007, 173, 174).
Im Übrigen würde ein Verstoß der übermittelnden Behörde gegen Rechtsvorschriften noch nicht automatisch zu einem Beweiserhebungsverbot, geschweige denn zu einem Beweisverwertungsverbot führen. Ob eine Beweiserhebung zulässig ist, richtet sich nach den für die Ermittlungsbehörden geltenden Vorschriften, welche hier nach § 46 Abs. 1 OWiG, 163b StPO Maßnahmen zur Identitätsfeststellung ergreifen durften. Ein ausdrückliches, gesetzlich geregeltes Beweiserhebungsverbot besteht vorliegend nicht. Der Verstoß gegen ein etwaiges Beweiserhebungsverbot führt auch nicht automatisch zu einem Beweisverwertungsverbot. Die Frage nach einem Beweisverwertungsverbot ist nach gefestigter, vom...