VHB 2003 § 5 Nr. 2
Wird ein Kraftfahrer durch Versperren des Wegs zum Anhalten gezwungen und nutzen das Täter, von der Rückbank des Pkw Taschen an sich zu nehmen und zu fliehen, liegt ein versicherter Raub vor.
(Leitsatz der Schriftleitung)
LG Ulm, Urt. v. 4.11.2009 – 1 S 129/09
Der Kläger verlangt mit seiner Klage bedingungsgemäße Entschädigung aus der Hausratversicherung für ein Schadensereignis, das sich in Catania ereignet hat.
Mit einem Mietwagen verfuhr sich der Kläger in eine enge Seitengasse. Dort befuhr ein Moped mit Fahrer und Soziusfahrer vor dem klägerischen Fahrzeug die Straße. Das Moped hielt an und zwang den Kläger somit, ebenfalls sein Fahrzeug anzuhalten. Der Soziusfahrer sprang ab, riss die hintere klägerische Fahrzeugtür auf, entnahm 2 unter einer Lederjacke liegende Taschen, sprang auf das gewendete Moped auf und beide flohen durch eine Seitenstraße. Die Beklagte hält das Ereignis für einen Trickdiebstahl.
Aus den Gründen:
“… Dem Kläger steht ein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 2.652,43 EUR zu, da ein in der Hausratsversicherung gem. § 5 Nr. 2 AL-VHB 2003 versicherter Raub vorliegt. Ein darüber hinausgehender Anspruch steht dem Kläger nicht zu.
1. a) Der zu Grunde liegende Sachverhalt ist in rechtlicher Hinsicht als Raub zu qualifizieren, sodass ein Versicherungsfall nach § 5 Nr. 2 AL-VHB 2003 vorliegt.
Vorliegend ist die Ausübung von ‘Gewalt’ in dem Versperren des Weges bzw. in dem Erzwingen des Anhaltens zu sehen. Auf Grund der glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben des Klägers sowie dessen Ehefrau in der mündlichen Verhandlung vom 21.10.2009 ist die Kammer davon überzeugt, dass es sich bei dem Halt des Mopeds nicht um einen ‘normalen Verkehrsvorgang’ gehandelt hat. Gewalt ist der physisch vermittelte Zwang zur Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstandes (vgl. ausführlich zum Gewaltbegriff Fischer, StGB, 56. Aufl. 2009, § 240 Rn 8 ff.). Nach höchstrichterlicher Rspr. kann auch psychisch wirkender Zwang als ‘Gewalt’ gewertet werden. Dies setzt aber eine gewisse körperliche Kraftentfaltung durch den Täter voraus. Mit Gewalt genötigt sind danach diejenigen Kraftfahrer, die – wie vorliegend – durch vor ihnen anhaltende Fährzeuge an der Weiterfahrt gehindert werden, denn diese stellen sich für die Nachfolgenden als unüberwindliches physisches Hindernis dar (vgl. OLG Stuttgart NJW 1995, 2647 … ). Weitere Voraussetzung ist die Verknüpfung von Nötigung und Wegnahme. Die Gewalt muss das Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein. Im Regelfall des Raubs besteht die Wirkung des Nötigungsmittels darin, dass körperlicher Widerstand überwunden oder auf Grund der Zwangswirkung unterlassen und dass hierdurch dem Täter ermöglicht wird, den Gewahrsam an der Sache zu brechen. Einigkeit herrscht darüber hinaus aber auch diesbezüglich, dass die Erzwingung der (Duldung) der Wegnahme nicht alleiniger und nicht der zunächst bestimmende Zweck der Nötigungshandlung sein muss … Vorliegend war der Kläger durch das Versperren der Straße an einer Weiterfahrt bzw. an einer Flucht gehindert, sodass ein körperlicher Widerstand durch die Zwangswirkung unterlassen und somit letztlich die Wegnahme ermöglicht wurde. Es geht vorliegend demzufolge nicht um die in Literatur und Rspr. umstrittene Konstellation, in der das Ausnutzen einer (abgeschlossen mit vis absoluta) geschaffenen Zwangslage nach Beendigung der aktiven Gewalthandlung noch als Einsatz von Gewalt bzw. Drohung zum Zweck der Wegnahme angesehen werden kann (vgl. Fischer, StGB, § 249 Rn 8 ff.), da vorliegend die Gewaltanwendung – dass Versperren des Weges und somit die Möglichkeit zur Weiterfahrt bzw. Flucht für den Kläger – zum Zeitpunkt der Wegnahme noch andauerte. Es kann offen bleiben, ob vorliegend ein räuberischer Angriff auf Kraftfahrer gem. § 316a StGB vorliegt. Für einen Angriff auf die Entschlussfreiheit des Fahrers genügt aber auch in diesen Fällen jede Form der Nötigung, wie hier der erzwungene Halt, die nicht mittels Gewalt gegen Leib oder Leben begangen wird (Fischer, a.a.O., § 316a Rn 6). Es kommt demnach vorliegend nicht darauf an, ob die Gewalt ‘als Drohung fortwirkt’ (Fischer, a.a.O., § 249 Rn 13). Die subjektiven Voraussetzungen des Raubtatbestandes liegen zur Überzeugung der Kammer vor. Erforderlich ist sowohl Wegnahmevorsatz, zum Zeitpunkt der Wegnahme, als auch Nötigungsvorsatz. Gerade das – vom Kläger und dessen Ehefrau eindrucksvoll geschilderte – (arbeitsteilige) Vorgehen der Täter zeigt, dass beide Elemente vorliegen, zumal der Tat offensichtlich ein gemeinsamer Plan zu Grunde lag. Der erzwungene Halt ist – dem Tatplan entsprechend – gerade Bedingung für die Wegnahme und erfolgte in der Absicht, den anhaltenden Kraftfahrer zu überfallen; eine Wegnahme wäre sonst nicht möglich gewesen. Am Vorliegen der Absicht rechtswidriger Zueignung hat die Kammer keine Zweifel.
b) Auf Grund der Angaben des Klägers sowie dessen Ehefrau steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Gegenstände, wie sie sic...