[12] 1. Ob der Rechtsschutzversicherer auch Rechtsverfolgungskosten aus einer solchen Selbstvertretung zu erstatten hat, hängt von der Auslegung der maßgeblichen Versicherungsbedingungen ab. Die hier vereinbarten ARB 94 enthalten u.a. folgende Klauseln:
"§ 1 Aufgaben der Rechtsschutzversicherung"
Der Versicherer sorgt dafür, daß der Versicherungsnehmer seine rechtlichen Interessen wahrnehmen kann, und trägt die für die Interessenwahrnehmung erforderlichen Kosten (Rechtsschutz).
…
§ 5 Leistungsumfang
(1) Der Versicherer trägt
a) bei Eintritt des Rechtsschutzfalles im Inland die Vergütung eines für den Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwalts bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung eines am Ort des zuständigen Gerichts ansässigen Rechtsanwalts. …
(2)
a) Der Versicherungsnehmer kann die Übernahme der vom Versicherer zu tragenden Kosten verlangen, sobald er nachweist, daß er zu deren Zahlung verpflichtet ist oder diese Verpflichtung bereits erfüllt hat.
…
§ 17 Verhalten nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles
(1) Wird die Wahrnehmung rechtlicher Interessen für den Versicherungsnehmer nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles erforderlich, kann er den zu beauftragenden Rechtsanwalt aus dem Kreis der Rechtsanwälte auswählen, deren Vergütung der Versicherer nach § 5 Absatz 1 a und b trägt. …“
[13] a) In Lehre und Rspr. war bisher umstritten, ob Selbstvertretungskosten eines versicherten Rechtsanwalts nach diesen Bedingungen erstattet werden müssen.
[14] aa) Für das Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren wird eine solche Verpflichtung des Rechtsschutzversicherers einhellig verneint. Die Strafprozessordnung sieht eine Selbstverteidigung des Rechtsanwalts in der Rolle des Beschuldigten, Angeklagten oder Betroffenen nicht vor. Eine andere Regelung ist – wie das BVerfG inzwischen wiederholt ausgesprochen hat (BVerfGE 53, 207, 214 f.; BVerfG NJW 1998, 2205) – auch nicht von Verfassungs wegen geboten, weil sich die Rolle des Beschuldigten oder Betroffenen mit der dem Verteidiger zugeschriebenen Stellung eines unabhängigen Organs der Rechtspflege nicht vereinbaren lässt. Demgemäß schuldet nach ganz herrschender Meinung der Rechtsschutzversicherer keine Erstattung von Verteidigergebühren aus einer Selbstverteidigung des Versicherten (vgl. die Nachweise bei Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 2 ARB 75 Rn 6 und Mathy, r+s 2009, 265, 266 Fn 5 und 6; ferner die Rspr.-Nachweise bei Bauer in Harbauer, ARB 8. Aufl. § 5 ARB 2000 Rn 50). Denn der Rechtsschutzversicherer muss einen Honoraranspruch, der gebührenrechtlich gar nicht entstehen kann, auch nicht erstatten (Mathy a.a.O. S. 267; Obarowski in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 2. Aufl. § 37 Rn 185).
[15] bb) Demgegenüber ist im Zivilverfahren die Selbstvertretung eines Rechtsanwalts auch für den Anwaltsprozess in § 78 Abs. 4 ZPO ausdrücklich zugelassen. Als kostenrechtliche Konsequenz daraus bestimmt § 91 Abs. 2 S. 3 (früher S. 4) ZPO, dass dem Rechtsanwalt in eigener Sache die Gebühren und Auslagen zu erstatten sind, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts verlangen könnte. Daher steht einer Erstattungspflicht des Rechtsschutzversicherers hier nicht entgegen, dass ein Honoraranspruch für Selbstvertretung prozesskostenrechtlich nicht entstehen kann.
[16] (1) Teilweise wird daher in der Literatur die Auffassung vertreten, der Rechtsschutzversicherer müsse dem Rechtsanwalt als Versicherungsnehmer auch die Vergütung für eine Selbstvertretung erstatten (Harbauer, ARB 6. Aufl. § 2 ARB 75 Rn 43; Schneider in van Bühren, Handbuch Versicherungsrecht 4. Aufl. § 13 Rn 331; Buschbell in Buschbell/Hering, Handbuch Rechtsschutzversicherung 4. Aufl. § 10 Rn 49).
[17] (2) Inzwischen ist allerdings die auch vom BG vertretene Gegenmeinung im Vordringen, die dem versicherten Rechtsanwalt in der Rechtsschutzversicherung die Erstattung von Honoraren aus Selbstvertretung auch für Zivil- und Arbeitsgerichtsverfahren versagt (AG München NJW 2009, 239; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 2 ARB 75 Rn 6; Bauer in Harbauer, ARB, 7. Aufl., § 2 ARB 75 Rn 43; Bauer in Harbauer, ARB, 8. Aufl., § 5 ARB 2000 Rn 49; Bauer, NJW 2009, 1564 f.; Böhme, ARB, 12. Aufl., § 2 (1) a Rn 2d; Hansens, zfs 2008, 652; Kurzka, VersR 1994, 409; Mathy, r+s 2009, 265, 267 ff.; Obarowski in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 37 Rn 185; Schilling, Die Allgemeinen Bestimmungen der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) und das AGB-Gesetz, Diss. 1987, S. 35 ff.).
[18] Diese Meinung nimmt für sich in Anspruch, der Wortlaut der maßgeblichen Klauseln sei in mehrfacher Hinsicht eindeutig: Verspreche der Versicherer in § 5 (1) a) ARB 94, die Kosten "eines für den Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwalts" zu tragen, so drücke schon dies unmissverständlich eine Personenverschiedenheit aus, da einerseits vom Versicherungsnehmer, andererseits von einem Rechtsanwalt die Rede sei. Im Übrigen sei anwaltliche Tätigkeit ihrem Wesen...