I. Anwendbarkeit des § 15a RVG

Die Zahl der BGH-Entscheidungen, die sich für eine sofortige Anwendbarkeit der Neuregelung des § 15a RVG auch in Altfällen ausgesprochen hat, steigt fast täglich. Mittlerweile liegen die Entscheidungen von folgenden Senaten des BGH vor:

  • II ZB 35/07 – Beschl. v. 2.9.2009 – RVGreport 2009, 387 (Hansens);
  • IV ZB 3/08 – Beschl. v. 15.9.2010 – RVGreport 2010, 423 (ders.); ferner IV ZB 22/10 – Beschl. v. 24.11.2010 – Aufhebung der Entscheidung des 2. ZS des KG;
  • V ZB 38/10 – Beschl. v. 29.4.2010 – RVGreport 2010, 265 (Hansens) und V ZB 176/09 – Beschl. v. 17.6.2010 – RVGreport 2010, 343 (ders.);
  • VI ZB 26/10 – Beschl. v. 19.10.2010 – RVGreport 2010, 464 (Hansens) sowie VI ZB 78/09 – Beschl. v. 19.10.2010 – Aufhebung der Entscheidung des OLG Hamm;
  • VII ZB 55/09 – Beschl. v. 28.10.2010 – RVGreport 2011, 27 (Hansens), ferner VII ZB 99/09 – Beschl. v. 28.10.2010 – Aufhebung der Entscheidung des 4. ZS des OLG Bamberg; VII ZB 106/09 – Beschl. v. 28.10.2010 – Aufhebung der Entscheidung des OLG Hamburg;
  • VIII ZB 15/10 – Beschl. v. 10.8.2010 – RVGreport 2010, 424 (Hansens);
  • IX ZB 82/08 – Beschl. v. 11.3.2010 – RVGreport 2010, 190 (ders.);
  • XI ZB 7/10 – Beschl. v. 28.9.2010 – RVGreport 2010, 425 (ders.);
  • XII ZB 175/07 – Beschl. v. 9.12.2009 – RVGreport 2010, 110 (ders.) und XII ZB 177/09 – Beschl. v. 3.2.2010 – RVGreport 2010, 190 (ders.).

Nur der X. ZS des BGH RVGreport 2009, 474 (Hansens) hat in einem Verfahren, in dem die Frage der Anrechnung gar nicht entscheidungserheblich gewesen war, die Auffassung vertreten, § 15a Abs. 2 RVG sei in Altfällen nicht anwendbar. Der X. Senat des BGH (RVGreport 2010, 32 (ders.)) hat offen gelassen, ob § 15a RVG auch für Altfälle angewandt werden kann. In jenem Fall ging es um die Anrechnung einer vereinbarten Vergütung für die vorgerichtliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten. Dem BGH liegen derzeit noch rund 20 Rechtsbeschwerdeverfahren zu dieser Frage vor, allein im Oktober 2010 sind sechs neue Rechtsbeschwerdeverfahren registriert worden. Im Gegenzug sind die Entscheidungen vieler OLG, die für die Anwendbarkeit des § 15a RVG auf die allgemeine Übergangsvorschrift des § 60 RVG abgestellt haben, vom BGH aufgehoben worden. Die Gerichte sollten sich schleunigst der ganz h.M. anschließen, damit der erklärte Wille des Gesetzgebers, die Anrechnung insbes. der Geschäftsgebühr sollte nur in den abschließend in § 15a Abs. 2 RVG aufgeführten drei Fallgestaltungen im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden, umgehend in die Praxis umgesetzt wird. Die Gerichte sollten sich nach nunmehr bald vier Jahren einmal anderen kostenrechtlichen Problemen widmen als der Anrechnung der Geschäftsgebühr.

II. Nachfestsetzung des Anrechnungsbetrags

Auch das das OLG Köln (RVGreport 2009, 354 (Hansens)) hat die Auffassung vertreten, der nicht geltend gemachte Anrechnungsbetrag könne im Wege der Nachfestsetzung nachträglich geltend gemacht werden.

Im Übrigen ist es allgemein anerkannt, dass die Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschl. der Nachfestsetzung eines mit dem früheren Antrag nicht verlangten Betrages nicht entgegensteht, selbst wenn sich der Sachverhalt nicht verändert hat, so etwa die Nachfestsetzung

  • einer Erörterungsgebühr nach antragsgemäßer Festsetzung der Prozess- und der Vergleichsgebühr, KG Rpfleger 1976, 366;
  • von höheren Gebühren bei antragsgemäßer Festsetzung nach einem zu niedrigen Gegenstandswert, so OLG Hamm AnwBl 1982, 74 = JurBüro 1980, 450;
  • von Umsatzsteuer, deren Festsetzung zuvor wegen vermeintlicher Vorsteuerabzugsberechtigung nicht beantragt war, so OLG Stuttgart (RVGreport 2009, 312 (Hansens)); OLG Düsseldorf AGS 2006, 201;
  • einer zuvor nicht geltend gemachten Gebührenerhöhung nach § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO, so BVerfG JurBüro 1995, 583 = Rpfleger 1995, 476;
  • erhöhter Gebühren, wenn der Erstattungsberechtigte die Anwaltsgebühren irrtümlich nach altem Gebührenrecht geltend gemacht hatte, so OLG Hamburg MDR 1979, 235.

Eine Nachfestsetzung kommt nur dann nicht in Betracht, wenn im Kostenfestsetzungsverfahren eine negative Entscheidung über die betreffende Kostenposition ergangen ist, so OLG München (RVGreport 2004, 77 (Hansens) = AGS 2004, 36; OLG Düsseldorf a.a.O.) für die Umsatzsteuer und BGH (BRAGOreport 2003, 57 (Hansens) = NJW 2003, 1462 = AGS 2003, 176) für den Fall, dass der Erstattungsberechtigte die Verzinsung der Kosten nach dem seinerzeit maßgeblichen Recht mit 4 % beantragt hatte und die Nachfestsetzung mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz begehrte. Nach Auffassung des BGH kam die Nachfestsetzung deshalb nicht in Betracht, weil das Gericht seinerzeit nicht über einen Teil des Zinsanspruchs entschieden hatte, sondern über den Zinsanspruch in voller Höhe.

Hier hatte jedoch der Kläger gerade nicht die unverminderte Verfahrensgebühr, sondern die um den Anrechnungsbetrag verminderte Verfahrensgebühr zur Festsetzung angemeldet.

III. Bedeutung für die anwaltliche Praxis

Nachdem sich nunmehr auch der BGH für die Zulässigkeit der Nachfestsetzung des Anrech...

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