"Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschl. des VG Sigmaringen v. 9.8.2010 [1 K 1531/10] ist zulässig (§§ 146, 147 VwGO) und begründet."
Aus den vom Antragsgegner in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO) ergibt sich, dass der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis mit Verfügung v. 29.3.2010 unbegründet ist. Die vom Gericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 S. 1 1. Alt. VwGO vorzunehmende Abwägung fällt zu Lasten des Interesses des Antragstellers aus, vom Vollzug der Entziehungsverfügung bis zu einer endgültigen Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage wird der Widerspruch des Antragstellers auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beteiligten im Beschwerdeverfahren voraussichtlich keinen Erfolg haben, da die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 StVG zu Recht erfolgt ist.
Gem. § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 StVG gilt der Betroffene, wenn sich 18 oder mehr Punkte ergeben, als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen; die Fahrerlaubnisbehörde hat die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen. Entgegen der Auffassung des VG liegen die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm vor, da sich für den Antragsteller in dem Zeitraum v. 14.12.2007 bis zum 3.4.2008 19 (bis zum 29.12.2007) bzw. 18 Punkte ergeben haben. Bei der Ermittlung des Punktestands war der mit drei Punkten zu bewertende Geschwindigkeitsverstoß v. 14.12.2007 zu Lasten des Antragsstellers zu berücksichtigen, obwohl der Bußgeldbescheid erst am 20.10.2008 Rechtskraft erlangt hat. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass am 29.12.2007 bzw. am 3.4.2008 mit einem bzw. drei Punkten bewertete Verkehrsverstöße wegen Ablaufs der absoluten Tilgungsfrist (§ 29 Abs. 6 S. 4 StVG) im Register zu löschen waren. Denn die in § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 StVG normierte unwiderlegliche Vermutung der Ungeeignetheit wird bereits durch die Begehung der weiteren Zuwiderhandlung und nicht erst mit Eintritt der Rechtskraft der die Zuwiderhandlung ahndenden Entscheidung ausgelöst. Dem Fahrerlaubnisinhaber kommt daher die Tilgungsreife von Verkehrsverstößen, die nach Begehung einer weiteren Zuwiderhandlung, aber vor Rechtskraft der die weitere Tat ahndenden Entscheidung eintritt, nicht zu Gute, wenn durch die weitere Tat die Punkteschwelle für die nach § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 StVG zu verfügende Entziehung der Fahrerlaubnis erreicht wird.
Zu Unrecht leitet das VG aus dem Urt. des BVerwG v. 25.9.2008 (3 C 3.07 – [zfs 2009, 113 =] BVerwGE 132, 48) her, dass das Tattagprinzip nur für die Ermittlung des für einen Punkteabzug und dessen Umfang nach § 4 Abs. 4 StVG maßgeblichen Punktestandes heranzuziehen ist, während es ansonsten bei dem Rechtskraftprinzip bleibe. Entgegen der Auffassung des VG kommt der Entscheidung für das Tattagprinzip nicht nur für die Auslegung des § 4 Abs. 4 StVG, sondern auch für das zutreffende Verständnis der in § 4 Abs. 3 S. 1 StVG getroffenen Regelung Bedeutung zu.
1. Zutreffend ist das VG freilich davon ausgegangen, dass die Maßnahmen, welche die Fahrerlaubnisbehörde nach § 4 Abs. 3 StVG beim Erreichen der dort genannten Punktezahlen zu treffen hat, rechtskräftig geahndete Verkehrsverstöße voraussetzen (vgl. näher BVerwG, Urt. v. 25.9.2008 – 3 C 3.07 – a.a.O.). Aus § 4 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 28 Abs. 3 StVG folgt, dass nicht bereits die Begehung der Tat oder aber – vor deren Unanfechtbarkeit – das Ergehen eines Bußgeldbescheids oder einer strafgerichtlichen Verurteilung zu straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen nach § 4 Abs. 3 StVG führen können. Nach § 4 Abs. 2 S. 1 StVG sind für die Anwendung des Punktesystems die im Verkehrszentralregister nach § 28 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 “zu erfassenden‘ Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten nach der Schwere der Zuwiderhandlungen und nach ihren Folgen nach näherer Bestimmung durch Rechtsverordnung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. s StVG zu bewerten. Auch der in Bezug genommene § 28 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 StVG setzt bereits für die Speicherung eines Verkehrsverstoßes im Verkehrszentralregister nicht lediglich dessen Begehung, sondern auch voraus, dass die diesen Verstoß ahndende Entscheidung unanfechtbar geworden ist. Erst eine unanfechtbare Entscheidung über den begangenen Verkehrsverstoß setzt den Übermittlungs- und Bewertungsmechanismus in Gang, der im Ergebnis zu Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörden nach § 4 Abs. 3 StVG führen kann. Bereits § 28 Abs. 4 StVG, der die Übermittlung von Daten durch die Gerichte, Staatsanwaltschaften und anderen Behörden an das Kraftfahrt-Bundesamt als die das Verkehrszentralregister führende Stelle regelt, bezieht sich auf die “nach Abs. 3 zu speichernden Daten‘ und schließt damit auch das dort enthaltene Rechtskrafterfordernis ein. Zu Recht weist der Antragsteller deshalb darauf hin, dass nur rechtskräftig geahndete Verkehrsverstöße überhaupt im Verkehrszent...