StPO § 344 Abs. 2; OWiG § 80 Abs. 3 S. 3; StVO 41; Zeichen 274.1
Leitsatz
1. Ein Verfahrensverstoß kann nur gerügt werden, wenn er bestimmt behauptet wird. Die Rüge ist dagegen unzulässig, wenn der Verfahrensverstoß nur als möglich bezeichnet wird.
2. Ein durch Baum- und Buschbewuchs objektiv nicht mehr erkennbares Verkehrszeichen 274.1 entfaltet keine Rechtswirkungen mehr.
(Leitsatz 1 der Schriftleitung, Leitsatz 2 des Einsenders)
OLG Hamm, Beschl. v. 30.9.2010 – III-3 RBs 336/09
Sachverhalt
Das AG hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 200 EUR verurteilt.
Nach den Urteilsfeststellungen überschritt der Betroffene, der als Taxifahrer tätig ist, am 19.8.2008 gegen 11:10 Uhr in M innerorts auf der O-Straße mit dem von ihm geführten Fahrzeug die durch Verkehrszeichen 274.1 (Beginn einer Tempo 30-Zone) angeordnete zulässige Höchstgeschwindigkeit um 40 km/h. Die mit einem Messgerät des Typs Multanova Versicherer 6F durchgeführte Messung ergab eine Geschwindigkeit von 73 km/h, hiervon erfolgte ein Toleranzabzug i.H.v. 3 km/h. Das Verkehrszeichen 274.1 befand sich auf der M-Straße, in die der Betroffene von der X-Straße aus kommend nach rechts abgebogen war. Das Schild war zum Tatzeitpunkt durch Baum- und Buschbewuchs für den Betroffenen nicht erkennbar.
Nach den Urteilsgründen ist die gesamte von dem Betroffenen zurückgelegte Fahrtstrecke bis zur Messstelle durch das Gericht gemeinsam mit dem Betroffenen und seinem Verteidiger abgefahren worden. Das Ergebnis dieser Ortsbesichtigung hat seinen Niederschlag in den weiteren Urteilsfeststellungen gefunden, die die jeweiligen örtlichen Verhältnisse detailliert darlegen.
Auf Grund der festgestellten örtlichen Verhältnisse – u.a. mehrfacher Fahrbahnerhöhungen, eine Fahrbahnverengung, die Geltung der Regelung "rechts vor links" an nahezu allen Einmündungen, neben einer Schule und einem Kindergarten an der I-Straße fast ausschließlich vorhandene Wohnbebauung – ist das AG zu der Überzeugung gelangt, der Betroffene hätte erkennen können und müssen, dass er sich in einer Tempo 30-Zone befand und hat ihn einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerorts um 40 km/h für schuldig befunden.
Bei der Bußgeldzumessung ist das AG von der in der Bußgeldkatalogverordnung für einen solchen Verstoß vorgesehenen Regelgeldbuße von 100 EUR ausgegangen und hat diese unter Berücksichtigung von vier Voreintragungen des Betroffenen – Bußgeldbescheid des RP L, rechtskräftig seit dem 30.5.2006, wegen verbotswidrigen Überholens i.H.v. 40 EUR; Bußgeldbescheid derselben Behörde, rechtskräftig seit dem 29.6.2006, wegen Abstandsunterschreitung i.H.v. 50 EUR; Bußgeldbescheid des Kreises I, rechtskräftig seit dem 7.6.2008, wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit i.H.v. 50 EUR und Bußgeldbescheid des Kreises N, rechtkräftig seit dem 12.9.2008, wegen Vorfahrtsmissachtung i.H.v. 60 EUR – die Regelgeldbuße auf 200 EUR erhöht. Von der Verhängung eines Fahrverbotes hat das AG abgesehen.
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen lässt das OLG gem. § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. hinsichtlich der Frage der Wirkung eines nicht (mehr) erkennbaren Verkehrszeichens zu und verwirft sie mit der Maßgabe als unbegründet, dass der Betroffene wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft um 20 km/h (§§ 3 Abs. 3 Nr. 1, 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO, 24 StVG) zu einer Geldbuße von 35 EUR verurteilt wird.
2 Aus den Gründen:
" … II. …. 1. Verfahrensrügen"
a) Die Rügen, mit denen Verstöße gegen die Vorschriften der Öffentlichkeit (§§ 338 Nr. 6 StPO, 169 GVG, 46 Abs. 1 OWiG) behauptet werden, haben keinen Erfolg.
Soweit geltend gemacht wird, der Ortstermin in der Tempo 30-Zone habe nicht unter (ermöglichter) Teilnahme der Öffentlichkeit stattgefunden, erweist sich die Rüge als unzulässig.
Ein Verfahrensverstoß ist nur in der gem. §§ 344 Abs. 2 StPO, 80 Abs. 3 S. 3 OWiG gebotenen Form erhoben worden, wenn er bestimmt behauptet wird. Die Rüge ist dagegen unzulässig, wenn der Verfahrensverstoß nur als möglich bezeichnet wird (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 344 Rn 25).
Der Verteidiger trägt in der Rechtsbeschwerdebegründung vor, zwar habe das Gericht nach Terminierung von Ort und Zeit (Bl. 101 d. A.) verfügt:
“3) Terminzettel an der Wachtmeisterei anhängen‘
und in dieser Zeile finde sich auch ein Häkchen vor dieser Zeile und Ziffer und hiernach der Vermerk:
“zu 3) ab 22/09/ B.‘,
hierdurch sei aber nicht der (ggf. mittels Freibeweis zu erhebende) Beweis geführt, dass tatsächlich ein für die interessierte Öffentlichkeit hinreichend deutlicher Hinweis auf das Verfahren gegeben worden sei. Der angebliche Terminzettel sei auch nicht Aktenbestandteil. Durch diesen Vortrag wird nicht mit Bestimmtheit behauptet, der durch die Amtsrichterin angeordnete Aushang des Terminzettels sei tatsächlich nicht erfolgt, sondern lediglich, dass nach Ansicht des Rechtsmittelführers sich ein solcher Aushang nicht a...