"Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das beklagte Land ist dem Kl. nach Art. 5 Abs. 5 EMRK zur Zahlung einer Entschädigung i.H.v. 65.000 EUR verpflichtet. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils im Rahmen der Berufung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des beklagten Landes ergeben. Der Senat teilt vielmehr die Auffassung des LG zu Grund und Höhe des zuerkannten Schadensersatzanspruchs und schließt sich den Ausführungen im angefochten Urteil in vollem Umfang an."
1. Zutreffend ist das LG davon ausgegangen, dass sich der Schadensersatzanspruch des Kl. unmittelbar aus Art. 5 Abs. 5 EMRK ergibt. Die Europäische Menschenrechtskonvention gilt innerstaatlich mit Gesetzeskraft und gewährt in Art. 5 Abs. 5 EMRK dem Betr. einen unmittelbaren Schadensersatzanspruch, wenn seine Freiheit Art. 5 Abs. 1 EMRK zuwider beschränkt wurde (BGH, Urt. v. 10.1.1966, BGHZ 45, 46-58, juris Tz. 14; BGHZ 122, 268-282, juris Tz. 15).
Die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Zusatzprotokolle sind völkerrechtliche Verträge, die unmittelbar die Vertragsstaaten binden und innerhalb der deutschen Rechtsordnung im Rang eines Bundesgesetzes stehen (BVerfGE 74, 358 (370); 82, 106 (120)). Deutsche Gerichte haben die Konvention wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden. Die Gewährleistungen der Konvention und die Rspr. des EGMR beeinflussen die Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes (BVerfGE 74, 358, 370; 83, 119, 128; BVerfG, Beschl. v. 20.12.2000 – 2 BvR 591/00 – NJW 2001, 2245, 2246 f.). Art. 5 Abs. 5 EMRK begründet dabei einen selbstständigen Anspruch auf Entschädigung, der in den Vertragsstaaten, die die Konvention und ihre Zusatzprotokolle in innerstaatliches Recht übernommen haben, unmittelbar vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden kann (BGHZ 45, 30 ff., juris Tz. 34; BGHZ 45, 46 ff., juris Tz. 15; BGHZ 122, 268 ff., juris Tz. 15; IntKommEMRK (Renzikowski) Art. 5 Rn 312).
2. Der Schadensersatzanspruch nach Art. 5 Abs. 5 EMRK richtet sich gegen das beklagte Land.
Zweifel an der Passivlegitimation sind nicht deshalb begründet, weil die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung in Anwendung bundesrechtlicher Vorschriften erfolgt ist. Zwar haben diese Vorschriften den Freiheitsentzug nach Ablauf der früheren Höchstfrist ermöglicht. Der unmittelbare Eingriff in das Freiheitsrecht hat sich jedoch erst aus der Anordnung der Verlängerung sowie dem Vollzug der Sicherungsverwahrung ergeben, die durch die Vollstreckungsbehörden des beklagten Landes erfolgt sind.
3. Die Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung auf der Grundlage von § 67d Abs. 3 StGB (i.d.F. von 1998) und deren Vollzug im Zeitraum vom 4.12.1999 bis 12.10.2010 stellte eine rechtswidrige Freiheitsentziehung i.S.v. Art. 5 Abs. 5 EMRK dar.
Die mit der Sicherungsverwahrung verbundene Freiheitsentziehung konnte sich nicht auf Rechtfertigungsgründe nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 a) – f) EMRK stützen und erfolgte auch nicht auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise, Art. 5 Abs. 1 S. 2 EMRK. Auf die zutreffenden und vom Senat geteilten Feststellungen des LG zu Art. 5 Abs. 1 S. 2 a), c) und e) EMRK sowie zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Vorschriften, auf deren Grundlage die Fortdaueranordnung erfolgte, wird verwiesen. Die Ausführungen dazu werden auch von der Berufung nicht in Zweifel gezogen.
4. Ein Verschulden der innerstaatlichen Organe setzt die als Gefährdungshaftung ausgestaltete Schadensersatzpflicht nach Art. 5 Abs. 5 EMRK nicht voraus (BGHZ 45, 58–83, juris Tz. 35, 38; BGHZ 122, 268–282, juris Tz. 40, 44).
5. Entgegen der Rechtsansicht des beklagten Landes kommt der für den Schadensersatzanspruch nach Art. 5 Abs. 5 EMRK vorausgesetzten Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung nach Abs. 1 keine konstitutive, die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung erst begründende Wirkung zu. Dies lässt sich weder dem Wortlaut noch einer systematischen und teleologischen Auslegung von Art. 5 Abs. 5 EMRK entnehmen.
Art. 5 Abs. 5 EMRK gewährt jeder Person, die unter Verletzung des Freiheitsrechts von Festnahme oder Freiheitsentziehung betroffen ist, einen Anspruch auf Schadensersatz. Eine Einschränkung der Schadensersatzpflicht in zeitlicher Hinsicht sieht der Wortlaut nicht vor. Anknüpfungspunkt der Schadensersatzpflicht ist der Eingriff in das Freiheitsrecht nach Art. 5 Abs. 1 EMRK. Beschränkungen des Freiheitsrechts sind nur nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 EMRK gerechtfertigt. Aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 EMRK ergibt sich nichts dafür, dass die Rechtswidrigkeit des Eingriffs einer darauf bezogenen konstitutiven Feststellung bedarf. Der Senat folgt auch der in der Literatur vertretenen Ansicht, dass es sich bei der Gefährdungshaftung nach Art. 5 Abs. 5 EMRK in der Sache um die Ausprägung eines Folgenentschädigungsanspruchs handelt, wonach für die Folgen eines primär zu unterlassenden Eingriffs dann eine Entschädigung zu zahlen ist, wenn eine Folgenbes...