VVG § 28 Abs. 2
Leitsatz
Die Verursachung eines Unfalls im Zustand relativer Fahruntüchtigkeit – 0,70 ‰ – führt zu einer Leistungskürzung von 75 %.
(Leitsatz der Schriftleitung)
AG Siegen, Urt. v. 30.11.2012 – 14 C 2166/12
1 Aus den Gründen:
" … Die Kl. hat gegen den Bekl. einen Anspruch auf Zahlung von 5.000 EUR gem. § 426 BGB i.V.m. dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag und D.3.1 S. 2 AKB 2008. Die Kl. war Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen … Der Bekl. führte zum Unfallzeitpunkt das Fahrzeug und war mitversicherte Person im Rahmen der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung. Am 24.2.2011 kam es zu einem Verkehrsunfall, bei dem ein Fremdschaden i.H.v. 8.952,34 EUR entstand. Die Kl. hat diesen Schadensbetrag unstreitig beglichen."
Die Kl. ist auch berechtigt, bei dem Bekl. bis zum Höchstbetrag gem. D.3.3 der AKB 2008 Regress zu nehmen, da im Innenverhältnis zu dem Bekl. als VN die Voraussetzungen für eine Leistungskürzung vorliegen. Gem. Ziffer D.3.1 AKB 2008 ist der VR berechtigt, entsprechend der Schwere des Verschuldens des VN die Leistung zu kürzen, wenn der VN seine Pflichten grob fahrlässig verletzt. Eine Pflichtverletzung liegt gem. D.2.1 vor, wenn der Fahrer durch alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen.
Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Bekl. war im Zeitpunkt des Verkehrsunfalls alkoholbedingt fahruntüchtig. Er wies zum Unfallzeitpunkt unstreitig eine BAK von mindestens 0,7 Promille auf. Bei einer unter 1,1 Promille liegenden Alkoholisierung (relative Fahruntüchtigkeit) folgt die Fahruntüchtigkeit nicht allein aus dem Grad der Alkoholisierung; hier müssen zur Feststellung der relativen Fahruntüchtigkeit, die etwa bei 0,3 Promille beginnt, zusätzliche Anzeichen für eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit hinzukommen, insb. alkoholtypische Fahrfehler oder Ausfallerscheinungen. Die relative Fahruntüchtigkeit ist vom VR zu beweisen, ohne dass kraft Anscheinsbeweis auf die Fahruntüchtigkeit geschlossen werden könnte; erforderlich sind individuelle Feststellungen. Die Anforderungen an die Beweiszeichen für das Vorliegen alkoholbedingter Ausfallerscheinungen sind jedoch umso geringer, je stärker sich der Blutalkoholgehalt der Grenze von 1,1 Promille annähert (vgl. OLG Hamm NJW 2011, 85). Es kann allerdings der Anscheinsbeweis für die Frage der Ursächlichkeit der Fahruntüchtigkeit für den Unfall herangezogen werden (OLG Hamm NJW 1994, 1662).
Anhand dieser Voraussetzung steht fest, dass dem Bekl. ein alkoholbedingter Fahrfehler vorgeworfen werden kann. Nach dem unstreitigen Vortrag der Kl. fuhr der Bekl. auf winterglatter Fahrbahn an einem mit Blaulicht am Straßenrand abgestellten Polizeiwagen ungebremst vorbei und leitete das Bremsmanöver erst ein, als er die Unfallstelle wahrnahm. Darin liegt eine typische alkoholbedingte Ausfallerscheinung. Es ist allgemein anerkannt, dass das nicht rechtzeitige Wahrnehmen von Warnsignalen durch einen alkoholisierten Fahrer bei einfacher Fahrsituation für eine relative Fahruntüchtigkeit des Fahrers spricht. Aus rechtsmedizinischer Sicht sind gerade das zu späte Erkennen solcher Warnsignale und die Fehleinschätzung als alkoholtypische Fehlleistungen anzunehmen …
Der Bekl. hat den Versicherungsfall infolge des Genusses alkoholischer Getränke grob fahrlässig herbeigeführt. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Im Gegensatz zur einfachen Fahrlässigkeit muss es sich bei einem grob fahrlässigen Verhalten um ein auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten handeln, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt (BGH NJW 2003, 1118). Die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der VN, § 28 Abs. 2 S. 2 VVG. Grob fahrlässig handelt jedenfalls, wer in fahruntüchtigem Zustand ein Fahrzeug führt …
Der Bekl. hat den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht erschüttert. Dem Bekl. ist nicht nur in objektiver, sondern auch in subjektiver Hinsicht ein gesteigerter Vorwurf zu machen, denn es ist ihm jedenfalls der Vorwurf mangelnder Selbstprüfung zu machen. Soweit der Bekl. ausführt, er habe nur deshalb nicht bremsen können, weil sich sein Fahrzeug auf winterglatter und abschüssiger Straße befunden habe, ist dies nicht geeignet, den Fahrlässigkeitsvorwurf entfallen zu lassen. Vielmehr wäre der Bekl. gehalten gewesen, seine Fahrweise diesen Bedingungen anzupassen, zumal er durch das sich vor Ort befindliche Polizeifahrzeug hinreichend auf etwaige Gefahren aufmerksam gemacht worden ist.
Unter Abwägung aller Umstände, die zur Schwere des Verschuldens des Bekl. hinzugezogen werden können, ist im vorliegenden Fall eine Kürzung des Leistungsanspruchs des Bekl. um 75 % gerechtfertigt. Die Kürzung im Verhältnis der Schwere des Verschuldens des VN hat unter wertender Betrachtung der maßgeblichen Umstände und B...