Zum berücksichtigungsfähigen Mitverschulden bei der Bemessung des Schmerzensgeldes bei Abbruch einer Therapie hat der BGH wie folgt Stellung genommen (NJW 2015, 2246 [2247]):

Zitat

"[14] aa) Entgegen der Auffassung des BG könnte für die Bemessung des Schmerzensgeldes allerdings der Umstand Gewicht haben, dass die Kl. die von ihr begonnene Therapie nicht fortgesetzt hat. Wegen der positiven Entwicklung des Gesundheitszustands der Kl. nach der verhältnismäßig kurzen Vorbehandlung bewertet das BG die Prognose, dass eine Fortführung der Therapie eine Besserung erbracht hätte, als günstig. Es meint jedoch, der Kl. könne wegen der unterbliebenen Fortsetzung der Therapie kein Mitverschulden angelastet werden, weil sie sich ausweislich der dokumentierten Behandlungsgeschichte um die Heilung, zumindest aber Besserung ihrer nach dem Unfall manifestierten Essstörung bemüht habe. Alles spreche zwar dafür, dass dies nicht in ausreichendem Maße geschehen sei. Dass ihr dies in dem maßgeblichen Zeitraum subjektiv vorzuwerfen und nicht etwa Ausdruck ihrer auf das Unfallereignis zurückgehenden psychischen Fehlentwicklung sei, lasse sich weder nach dem Vorbringen der insoweit darlegungspflichtigen Bekl. noch dem Sachverhalt im Übrigen feststellen."

[15] bb) Möglicherweise hat das BG die für die Annahme eines Mitverschuldens erforderlichen Anforderungen überspannt. Von dem Verletzten muss nämlich verlangt werden, dass er, soweit er dazu im Stande ist, zur Heilung oder Besserung seiner Krankheit oder Schädigung die nach dem Stande der ärztlichen Wissenschaft sich darbietenden Mittel anwendet; er darf i.d.R. nicht anders handeln, als ein verständiger Mensch, der die Vermögensnachteile selbst zu tragen hat, es bei gleicher Gesundheitsstörung tun würde (RGZ 60, 147, 149; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl., § 22 Rn 112). Der Umstand, dass die Kl. sich nach den getroffenen Feststellungen mit Rücksicht auf die mit einer Behandlung verbundene Trennung von ihren Kindern nicht weiter therapieren ließ, könnte ein Mitverschulden begründen, wenn der Kl. eine weitere Behandlung der Essstörung zumutbar gewesen wäre (vgl. Senat VersR 1987, 408 [mit zust. Anm. Deutsch, VersR 1987, 559] = BeckRS 1986, 30378200; NJW 1989, 2332 = VersR 1989, 701 [702] und NJW 1994, 1592 [1593]). Dazu hat das BG bislang keine ausreichenden Feststellungen getroffen.“

zfs 2/2020, S. 79 - 82

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