BGB § 823 Abs. 1
Leitsatz
1) Haben die Parteien eines gewerblichen Kfz-Mietvertrages eine Haftungsreduzierung zugunsten des Mieters nach Art der Vollkaskoversicherung vereinbart, dürfen neben dem Mieter auch berechtigte Fahrer darauf vertrauen, dass die Reichweite des Schutzes dem Schutz entspricht, den der Mieter genießen würde, wenn er selbst Versicherungsnehmer in der Vollkaskoversicherung wäre.
2) Mietvertragsklauseln, die vom Leitbild einer Vollkaskoversicherung zum Nachteil des Mieters und eines berechtigten Fahrers abweichen, sind gem. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
3) Die kurzzeitige Ablenkung durch Bedienung des sog. Infotainmentsystems bei einer Geschwindigkeit von 200 km/h kann den Vorwurf der grob fahrlässigen Herbeiführung eines Unfalls mit der Folge einer wenigstens teilweisen Versagung des Vollkaskoversicherungsschutzes begründen.
4) Verfügt das Mietfahrzeug über ein Spurhaltesystem, mindert das den Schuldvorwurf nicht, sodass eine grob fahrlässige Herbeiführung des Unfalls entfiele. Da der Fahrer das Abkommen von der Fahrbahn erst zu diesem Zeitpunkt bemerkte, konnte das Betätigen des ohnehin dem Fahrer nicht vertrauten Spurhaltesystems den Unfall nicht mehr vermeiden.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Nürnberg, Urt. v. 2.5.2019 – 13 U 1296/17
Sachverhalt
Die klagende Autovermieterin macht die Verurteilung des Fahrers ihres vermieteten Fahrzeuges wegen eines zu einer Beschädigung des Fahrzeuges führenden Unfalls auf der BAB geltend.
Der Fahrer des Fahrzeuges, der Bekl. zu 1, hatte auf der linken Spur fahrend das Infotainmentsystem des Kfz bedient, um Informationen abzurufen. Er geriet mit dem Kfz nach links von der Fahrbahn ab und kollidierte mit der Mittelleitplanke. Der Mieter des Kfz, der Bekl. zu 2, der das Fahrzeug dem Bekl. zu 1) überlassen hatte, hatte in dem Mietvertrag mit der Kl. eine Haftungsbeschränkung ohne Selbstbeteiligung nach Art einer Vollkaskoversicherung vereinbart. Bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Unfalls sollte die Haftungsfreistellung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis gekürzt werden können. Der Bekl. zu 1) war als berechtigter Fahrer in den Schutzbereich der Haftungsbeschränkung einbezogen. Zwischen den Parteien ist die von dem Fahrer des vermieteten Kfz eingehaltene Geschwindigkeit streitig gewesen. Die Kl. hat eine eingehaltene Geschwindigkeit des Fahrers von 200 km/h behauptet, der Bekl. zu 1) hat eine Geschwindigkeit von 130 km/h angegeben.
Das LG hat die Klage abgewiesen, das OLG ist von einer Haftung des Bekl. zu 1) in Höhe des hälftigen Schadens nach Beweisaufnahme ausgegangen.
2 Aus den Gründen:
"…"
[10] 2. Die Haftung des Bekl. zu 1) gem. § 823 Abs. 1 BGB dem Grunde nach ist nicht in Streit. Der Bekl. zu 1) verursachte mit dem vom früheren Bekl. zu 2) angemieteten Fahrzeug am 19.4.2015 einen Unfall, bei dem es beschädigt wurde. Unstreitig hat der Bekl. zu 1) den Unfall deshalb verursacht, weil er wegen Bedienung des Infotainmentsystems nicht mit der erforderlichen Aufmerksamkeit auf die Fahrbahn geachtet hat. Dies ist selbst dann zumindest fahrlässig, wenn der Bekl. zu 1) “nur' mit einer Geschwindigkeit von 130 km/h gefahren wäre.
[11] 3. Die Haftung des Bekl. zu 1) ist nicht aufgrund der zwischen der Kl. und dem früheren Bekl. zu 2) vereinbarten Haftungsfreistellung ausgeschlossen.
[12] Der frühere Bekl. zu 2) hatte mit der Kl. für das Mietfahrzeug eine Haftungsbeschränkung ohne Selbstbeteiligung vereinbart. Der Bekl. zu 1) war als berechtigter Fahrer gem. I.7 AVB in die Schutzwirkung der dort vereinbarten Haftungsbeschränkungen in gleicher Weise wie der Mieter ausdrücklich einbezogen. Er hat den Schaden am Mietfahrzeug aber grob fahrlässig herbeigeführt und damit gem. I.2 S. 4 AVB die ihn begünstigende Haftungsbeschränkung im von der Kl. geltend gemachten Umfang (50 %) eingebüßt.
[13] a) Die Regelung in I.2 S. 4 AVB hält der Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB stand und ist damit wirksam.
[14] Haben die Parteien eines gewerblichen Kraftfahrzeugmietvertrags – wie hier – gegen Entgelt auch zugunsten des berechtigten Fahrers eine Haftungsreduzierung nach Art der Vollkaskoversicherung vereinbart, darf neben dem Mieter auch der Fahrer darauf vertrauen, dass die Reichweite des mietvertraglich vereinbarten Schutzes im Wesentlichen dem Schutz entspricht, den der Mieter genießen würde, wenn er selbst Eigentümer des Kfz und selbst Versicherungsnehmer in der Fahrzeugvollversicherung wäre (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.11.2008 – I-24 U 131/08 juris Rn 3; OLG Naumburg, Urt. v. 14.10.2010 – 10 U 21/10 juris Rn 3). Nur bei Einräumung dieses Schutzes genügt der gewerbliche Vermieter von Kfz seiner aus dem Grundsatz von Treu und Glauben erwachsenen Verpflichtung, schon bei der Festlegung seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Interessen künftiger Vertragspartner angemessen zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 20.5.2009 – XII ZR 94/07 juris Rn 13; v. 11.10.2011 – VI ZR 46/10 juris Rn 10 f.; v. 24.10.2012 – XII ZR 40/11 juris Rn 15; vom 15.7.2014 – VI ZR 452/13 juris Rn 8).
[15] D...