"… Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kl. stehen keine Leistungsansprüche aus der streitgegenständlichen Pflegetagegeldversicherung zu, weil diese durch die Bekl. gem. § 22 VVG i.V.m. § 123 Abs. 1 BGB wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten wurde. Dementsprechend haben auch die Feststellungsbegehren und der auf den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete weitere Zahlungsantrag keinen Erfolg."
Der VR kann einen Versicherungsvertrag nach den vorstehenden Regeln wegen arglistiger Täuschung anfechten, wenn der VN mit der wissentlich falschen Angabe von Tatsachen bzw. dem Verschweigen anzeige- und offenbarungspflichtiger Umstände auf die Entschließung des VR, seinen Versicherungsantrag – hier: auf Pflegetagegeldversicherung – anzunehmen, Einfluss nehmen will und sich bewusst ist, dass der VR möglicherweise seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde, wenn er wahrheitsgemäße Angaben mache (BGH, VersR 2007, 785). Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 22 νRn 7).
1. Nach § 19 Abs. 1 VVG hat der VN die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des VR, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der VR in Textform gefragt hat, dem VR anzuzeigen. Unstreitig hat die Kl. das vorausgefüllte Formular, in dem sämtliche Fragen zu etwaigen Vorerkrankungen verneint waren, unterzeichnet, ohne die fehlerhafte Angabe zum Bestehen einer der in Frage 2 genannten Vorerkrankungen zu korrigieren und der Bekl. ihre rheumatoide Arthritis mitzuteilen. Sie hat damit gegen ihre Offenbarungspflicht verstoßen; denn dass die Angabe einer derartigen Erkrankung für den Entschluss der Bekl., den Antrag anzunehmen, erheblich war, folgt bereits daraus, dass die Bekl. ausdrücklich nach bestehenden entzündlichen Gelenkerkrankungen gefragt hat.
Die Gesundheitsfragen sind der Kl. nach deren streitigem Vortrag auch nicht deshalb nicht zur Kenntnis gelangt, weil die Zeugin L. die Fragen eigenmächtig ohne Rückfragen beantwortet haben könnte (vgl. hierzu Neuhaus, Kenntnis und Textform der Antragsfragen bei der vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung, VersR 2012, 1477). Dem steht bereits entgegen, dass die Zeugin der Kl. das Antragsformular übersandte und diese damit zuhause hinreichend Gelegenheit hatte, die in Textform fixierten Fragen in Ruhe zur Kenntnis zu nehmen.
Auf die Erwägungen der Kl. zur Anwendbarkeit der “Auge-und-Ohr-Rechtsprechung' des BGH (siehe nur BGH, VersR 2011, 737) kommt es nicht an, behauptet die Kl. doch selbst nicht, gegenüber der Zeugin korrekte Angaben zu ihrem gegenwärtigen Gesundheitszustand gemacht zu haben. Etwas anderes gilt auch nicht im Hinblick auf die über drei Jahre zuvor gegenüber “der Agentur' beantworteten Gesundheitsfragen im Zusammenhang mit der Beantragung einer Unfallversicherung im April 2008. Weder der Bekl. noch den Mitarbeitern ihrer Agentur kann abverlangt werden, dass ihr bzw. ihnen diese mehr als drei Jahre zuvor in anderem Zusammenhang gemachten Angaben noch präsent sind, angesichts der den VN treffenden Verpflichtung zu wahrheitsgemäßer und vollständiger Erklärung auch nicht, dass sie frühere und spätere Angaben miteinander abgleicht.
2. Die Kl. handelte arglistig, als sie das Antragsformular unterzeichnete, ohne dieses – nach ihrem eigenen Vortrag – im Vertrauen auf die jahrelange Geschäftsbeziehung zu dem Versicherungsagenten K.-D. zuvor durchzulesen.
Zwar begründet die allein vorsätzliche falsche Angaben den Vorwurf der Arglist nicht (vgl. BGH, NJW-RR 1991, 411, 412); denn der daneben zu fordernde Täuschungsvorsatz setzt die billigende Erkenntnis des VN voraus, der VR könne durch seine – falschen oder unvollständigen – Angaben in seiner Vertragsentscheidung beeinflusst werden. Der Vorsatz des VN muss sich mithin auf die Täuschungshandlung, die Irrtumserregung und die dadurch erfolgende Willensbeeinflussung erstrecken (BeckOK VVG/Spuhl, 7. Ed. 15.3.2019, VVG § 22 Rn 18). Selbst bei gutem Glauben im Hinblick auf die Richtigkeit der Angaben liegt jedoch Arglist vor, wenn der Erklärende “ins Blaue hinein' objektiv unrichtige Angaben macht.
Der die Arglist begründende Vorwurf ist in dem Umstand zu erkennen, dass die Kl. im Bewusstsein eigener Unkenntnis das Antragsformular “blind' unterzeichnet und damit die für sie erkennbare Vorstellung der Bekl. ausgenutzt hat, dass im redlichen Geschäftsverkehr Erklärungen “ins Blaue hinein' nicht abgegeben werden, der Erklärungsempfänger also darauf vertrauen kann, dass die Erklärung auf zuverlässiger Tatsachengrundlage abgegeben wurde (vgl. hierzu nur KG, VersR 2007, 381; OLG Frankfurt, zfs 2009, 269) oder aber der Erklärende den Inhalt seiner Erklärung zur Kenntnis genommen hat und den Inhalt billigt (vgl. OLG Hamm, VersR 1990, 765). Ein VN, der objektiv falsche Angaben “ins Blaue hinein' macht, nimmt deren Unrichtigkeit zumindest billigend in Kauf (BeckOK VVG/Spuhl, 6. Ed. 15.3.2020, a.a.O.), ebenso derjenige, der ein von einem Dritten vorausgefüll...