"… II."
[8] Die von dem ArbG Magdeburg gem. § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 2 RVG zugelassene Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Kl. ist unbegründet.
[9] 1. Gem. § 45 Abs. 1 S. 1 RVG steht dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung aus der Landeskasse des Landes Sachsen-Anhalt zu, da das Verfahren vor einem Gericht des Landes Sachsen-Anhalt betrieben worden ist. Gem. § 48 Abs. 1 RVG bestimmt sich der Vergütungsanspruch nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütungen und Vorschüsse bestimmt sich ausschließlich nach § 55 RVG.
[10] a) Während bei der in § 11 RVG geregelten Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung gegen den Auftraggeber gem. § 11 Abs. 2 S. 3 RVG i.V.m. § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO auf Antrag die Verzinsung des festgesetzten Betrages mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB angeordnet wird (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl. 2019, § 11 RVG Rn 256), verweist § 55 Abs. 5 S. 1 RVG nicht auf § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO, sondern nur auf § 104 Abs. 2 ZPO. Dies hat zur Folge, dass eine Verzinsung des Vergütungsanspruchs des beigeordneten Rechtsanwalts in keinem Fall auszusprechen ist (Müller-Rabe, a.a.O., § 55 RVG Rn 57; Sommerfeldt in BeckOK RVG, § 55 RVG Rn 47). Auch das LSG Thüringen kommt in seinem Beschl. v. 15.6.2015 – L 6 SF 723/15 B, RVGreport 2015, 421 (Hansens) = AGS 2015, 415 zu dem Ergebnis, dass eine Verzinsung für beigeordnete Rechtsanwälte gem. § 55 RVG nicht in Frage kommt, weil hierfür im Gesetz keine Anspruchsgrundlage ersichtlich ist.
[11] b) Wenn schon die Verzinsung des Gebührenanspruchs des beigeordneten Rechtsanwaltes deswegen ausscheidet, weil im RVG keine Anspruchsgrundlage ersichtlich ist, gilt dies erst recht für den Unterfall der gesetzlichen Verzinsung bei Verzug, der Verzugspauschale des § 288 Abs. 5 BGB. Auch deren Anwendung ist in den §§ 48 bis 55 RVG nicht vorgesehen, eine entsprechende Festsetzung scheidet deshalb aus.
[12] 2. Eine direkte Anwendung der §§ 286, 288 Abs. 5 BGB scheidet deshalb aus, weil zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Kl. und der Landeskasse des Landes Sachsen-Anhalt kein vertragliches Schuldverhältnis besteht. Zu keinem Zeitpunkt wurde zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Kl. und der Landeskasse eine Vereinbarung über die Erbringung von Rechtsanwaltsleistungen geschlossen. Die von dem Prozessbevollmächtigten der Kl. angezogene Vorschrift des § 288 Abs. 5 BGB steht im 2. Buch des Bürgerlichen Gesetzbuches, welches mit “Recht der Schuldverhältnisse' überschrieben ist.
[13] Auch unter Beachtung der von dem Prozessbevollmächtigten der Kl. angeführten Entscheidung des BSG v. 27.6.2017 – B 2 U 13/15 R, BSGE 123,238 = NZS 2018,275 scheidet auch eine entsprechende Anwendung des § 288 Abs. 5 BGB aus. Die Entscheidung des BSG beschäftigt sich mit einem Zinsanspruch aus einem von der dortigen Bekl. anerkannten Anspruch aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag und sieht in der von ihm zu beurteilenden Fallkonstellation eine planwidrige Gesetzeslücke (a.a.O., Rn 15). Eine solche durch die Rspr. auszufüllende planwidrige Gesetzeslücke besteht bei der gem. § 55 RVG festzusetzenden Vergütung nicht. Vielmehr besteht durch die in § 55 Abs. 5 S. 1 RVG vorgenommene Verweisung nur auf § 104 Abs. 2 ZPO eine ausdrückliche gesetzliche Regelung dahingehend, dass eine Verzinsung ausgeschlossen ist. Zwar regt der Deutsche Anwaltsverein offensichtlich seit dem Jahr 2011 an, bei einer zukünftigen Gesetzesänderung eine Verzinsung ab Eingang des Festsetzungsantrages vorzusehen (so Müller-Rabe, a.a.O., § 55 RVG Rn 57), mit dieser politischen Forderung hat er sich aber bis jetzt nicht durchgesetzt. Im Übrigen setzt sich die von dem Prozessbevollmächtigten der Kl. angeführte Entscheidung des BSG nicht mit § 288 Abs. 5 BGB im speziellen auseinander, sondern nur allgemein mit der Frage der entsprechenden Anwendbarkeit der Verzugsvorschriften des BGB.
[14] 3. § 55 Abs. 5 S. 1 RVG, der eine Zinspflicht und eine Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 BGB ausschließt, verstößt nicht gegen die Richtlinie 2011/7/EU des europäischen Parlaments und des Rates v. 16.2.2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr. Hierzu ist zunächst auszuführen, dass die von dem Prozessbevollmächtigten der Kl. angeführte Richtlinie 2000/35 EG gem. Art. 13 der Richtlinie 2011/7/EU mit Wirkung v. 16.3.2011 aufgehoben worden ist. Sie ist durch die Richtlinie 2011/7/EU ersetzt worden.
[15] a) Diese Richtlinie 2011/7/EU findet auf die in §§ 48–55 RVG geregelten Vergütungsansprüche für im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwälte keine Anwendung, da es sich vorliegend um gesetzliche Ansprüche und nicht um Ansprüche aus “Geschäftsverkehr' im Sinne der Richtlinie handelt. Nach einer Entscheidung des EuGH v. 9.7.2020 – C-199/19 – fallen unter den in Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2011/...