Die Entscheidung des LAG Sachsen-Anhalt ist nach derzeitiger Gesetzeslage richtig. Für den Anspruch des beigeordneten Rechtsanwalts aus der Staatskasse ist weder eine Verzinsung noch eine Verzugsschadenpauschale gem. oder entsprechend § 288 Abs. 5 BGB vorgesehen. Dies haben sowohl das Thür. LSG RVGreport 2015, 421 (Hansens) = AGS 2015, 415 als auch das LSG München im Beschl. v. 8.5.2013 – L 15 SF 104/12 B, juris so gesehen. Vor kurzem hat übrigens das BAG im Beschl. v. 22.10.2020 – 8 AZR 412/19 – entschieden, dass der Erstattungsfähigkeit der Verzugsschadenpauschale nach § 288 Abs. 5 BGB im arbeitsgerichtlichen Verfahren im Verhältnis der Parteien zueinander der in § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG geregelte Erstattungsausschluss entgegensteht.
Die Einführung einer Verpflichtung der Staatskasse, die den beigeordneten oder bestellten Rechtsanwälten auszuzahlende Vergütung zu verzinsen, wurde von Seiten der Anwaltschaft schon mehrfach gefordert. Der Gesetzgeber hat bisher die Einführung einer Verzinsungspflicht abgelehnt. Er hat auch das KostRÄG 2021, das ja eine – hier nicht einschlägige – Änderung des § 55 Abs. 5 RVG vorsieht, nicht zum Anlass genommen, eine Verzinsungspflicht einzuführen. Dies ist zu bedauern. Denn die gesetzliche Regelung einer Verzinsungspflicht würde die Staatskasse veranlassen, die den beigeordneten oder bestellten Anwälten zustehende Vergütung zügiger nach Antragstellung festzusetzen und auszuzahlen, als es derzeit vielfach der Fall ist. Die Staatskasse wäre veranlasst, die für die Festsetzung zuständigen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle anzuweisen, über Festsetzungsanträge der Rechtsanwälte beschleunigt zu befinden. Dann würde auch die vielfach geübte Praxis vorbei sein, Festsetzungsanträge oft jahrelang unbearbeitet im Retent zu behalten, anstatt die Prozessakten zur Bearbeitung des Festsetzungsantrags von der Rechtsmittelinstanz oder dem gerichtlich bestellten Sachverständigen anzufordern.
Die Beamten würden sicher empört aufschreien, wenn ihnen ihre Besoldungsbezüge nur um einen Tag verspätet ausgezahlt würden. Den Rechtsanwälten wird es aber vieltausendfach im Jahr zugemutet, auf die Auszahlung ihrer wohlverdienten und fälligen Vergütung wochen-, monate- oder sogar jahrelang zu warten, weil ihre Festsetzungsanträge nicht in angemessener Zeit bearbeitet werden. Die Einführung der Verzinsungspflicht würde vielleicht auch dazu führen, dass die Gerichte mehr Personal für die Bearbeitung der Festsetzungsanträge einsetzen, um möglichst den Anfall von Zinsen zu vermeiden.
Vielleicht könnte man der Staatskasse die Einführung einer Zinsregelung schmackhaft dadurch machen, dass man die Verzinsung der festzusetzenden Vergütung erst bspw. ab dem 15. Tag nach Eingang des Festsetzungsantrags anordnet. Dann bleibt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle – eine hinreichende Personalausstattung entsprechend dem Arbeitsanfall unterstellt – genügend Zeit, über den Festsetzungsantrag zu befinden, ohne dass bereits eine Verzinsung "droht". Außerdem würden die Berufungs- oder Beschwerdegerichte durch eine Zinsregelung vielleicht eher geneigt sein, die Akten dem erstinstanzlichen Gericht auf Anforderung kurzfristig zur Bearbeitung eines Festsetzungsantrags des beigeordneten oder bestellten Anwalts zurückzuschicken anstatt dies erst nach Durchführung des Rechtsmittelverfahrens häufig Jahre nach Eingang des Festsetzungsantrags zu tun. Denn die hierdurch eintretende Verzögerung bei der Bearbeitung eines Festsetzungsantrags könnte ggf. auf eine Amtspflichtverletzung zurückzuführen sein. Der Schaden besteht dann in den an den Anwalt zu zahlenden Zinsen. Die Einführung eines Verzinsungsanspruchs des Rechtsanwalts gegenüber der Staatskasse würde im Ergebnis sicherlich zu kürzeren Bearbeitungszeiten führen.
Im Fall des LAG Sachsen-Anhalt hat der Urkundsbeamte des ArbG Magdeburg über den am 15.5.2019 eingegangenen Festsetzungsantrag durch Verfügung v. 27.6.2019 übrigens zeitnah entschieden. Von solchen relativ kurzen Bearbeitungszeiten von rund 6 Wochen können Rechtsanwälte bspw. in der Sozialgerichtsbarkeit oder in Strafsachen üblicherweise nur träumen.
VorsRiLG a.D Heinz Hansens
zfs 2/2021, S. 105 - 107