BGB § 31 § 823 Abs. 2 § 826 § 831; StGB § 263
Leitsatz
a) Zur sekundären Darlegungslast hinsichtlich der Frage, wer die Entscheidung über den Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei dem beklagten Fahrzeughersteller getroffen hatte und ob der Vorstand hiervon Kenntnis hatte.
b) Auf den Schutzzweck der §§ 6, 27 Abs. 1 EG-FGV und der zur vollständigen Harmonisierung der technischen Anforderungen für Fahrzeuge erlassenen Rechtsakte der Europäischen Union kommt es im Rahmen des Schadensersatzanspruchs aus § 826 BGB nicht an.
BGH, Urt. v. 30.7.2020 – VI ZR 367/19
Sachverhalt
Der Kl. erwarb im Jahre 2013 einen gebrauchten von der Bekl. hergestellten Pkw VW Tiguan mit einer Laufleistung von 85.000 km zum Preis von 21.500 EUR. Das Fahrzeug war mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 Schadstoffnorm 5 ausgestattet, der über eine im Verfahren zur Erlangung der Typengenehmigung in den Dieselskandalfällen verbreitete unzulässige Abschalteinrichtung verfügte. Aufgrund des im Prüfungsverfahren zur Verfälschung des Ergebnisses eingesetzten Abschaltmodus erhielt der Pkw die Typengenehmigung. Nach Aufdeckung des Dieselskandals ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt den Rückruf auch des Fahrzeuges des Kl. an. Die Bekl. entwickelte ein Software-Update, das das Kraftfahrt-Bundesamt als geeignet zur Herbeiführung der Vorschriftsmäßigkeit auch des Fahrzeuges des Kl. ansah. Der Kl. ließ das Update aufspielen.
Mit der Klage hat der Kl. die Verurteilung der Bekl. zum Schadensersatz durch Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung von 5 Cent je Kilometer verlangt. Der Kilometerstand belief sich im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung auf 170.585 km. Das LG wies die Klage ab. Die Berufung des Kl. hatte keinen Erfolg. Die zugelassene Revision des Kl. führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung an das BG.
2 Aus den Gründen:
"…"
[7] Nach Auffassung des BG stehen dem Kl. keine Schadensersatzansprüche gegen die Bekl. zu. Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB schieden aus, weil der Kl. weder die Begehung eines der Bekl. zurechenbaren Betrugs noch das Vorhandensein eines ihm zu erstattenden Schadens schlüssig dargelegt habe. Es fehle an ausreichendem Vortrag dazu, wer aus dem in Betracht kommenden Täterkreis den vom Kl. angenommenen Betrugstatbestand verwirklicht habe. Unzureichend sei insbesondere der Vortrag, es sei davon auszugehen, dass der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter der Bekl. die Anordnung getroffen habe, die streitgegenständliche Software in den Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs einzubauen. Hierbei handele es sich um eine durch keine Tatsachen unterlegte Vermutung des Kl., der die Verwirklichung des Tatbestands durch eine oder mehrere dem Personenkreis des § 31 BGB zuzurechnende Personen habe darlegen müssen. Dem Kl. kämen auch die Grundsätze der sekundären Darlegungslast nicht zugute mit der Folge, dass die Bekl. keine Angaben zur Entwicklung und Installation der Steuerungssoftware und zur Kenntnis von Vorstandsmitgliedern oder leitenden Mitarbeitern hiervon machen müsse. Unabhängig davon habe der Kl. auch das Vorliegen eines Schadens nicht dargelegt. Zwar sei das Fahrzeug infolge des Einbaus der abgasbeeinflussenden Software zum Zeitpunkt des Kaufvertrags mit dem Risiko behaftet gewesen, die Zulassung zu verlieren. Der hierin liegende Schaden sei aber dadurch entfallen, dass die Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs durch das Software-Update hergestellt worden sei.
[8] Der geltend gemachte Ersatzanspruch ergebe sich auch nicht aus § 826 BGB. Dies gelte unabhängig von der Frage, ob der Kl. ein vorsätzlich sittenwidriges, Verhalten der Bekl. mit Substanz dargelegt habe, denn auch insoweit habe der Kl. nicht dargetan, welche Person aus dem Kreise der in § 31 BGB Genannten sich in dieser Weise verhalten habe. Abgesehen davon fehle es an dem erforderlichen Schaden des Kl. Zwar schütze § 826 BGB im Gegensatz zu § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB auch die Dispositionsfreiheit der Vertragsschließenden. Gleichwohl könnten spätere Veränderungen, die – wie hier das Software-Update – zum Wegfall des Schadens führten, nicht außer Betracht bleiben. Schließlich falle der geltend gemachte Schaden auch nicht unter den Schutzzweck des § 826 BGB. Der Schutzzweck der hier allein als verletzt in Betracht kommenden Bestimmungen in §§ 6, 27 Abs. 1 EG-FGV und die ihnen zugrundeliegenden europarechtlichen Vorschriften dienten nicht dem Schutz individueller Interessen, sondern ausschließlich Interessen des Gemeinwohls.
[9] Ansprüche aus § 831 BGB kämen schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kl. Tathandlungen, die ein als Verrichtungsgehilfe einzustufender Mitarbeiter der Bekl. begangen haben sollte, nicht behauptet habe.
II.
[10] Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit der Begründung des BG kann ein Schadensersatzanspruch des Kl. wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB nicht verneint werden.
[11] 1. Die Re...