"… II. Die gem. § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Das Verfahren ist unter Aufhebung des angefochtenen Urteils wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 206a Abs. 1 StPO). Der Verfolgung der Tat steht deren Verjährung entgegen (§ 31 Abs. 1 S. 1 OWiG)."
1. Die dreimonatige Verjährungsfrist aus § 26 Abs. 3 Hs. 1 StVG, die am 12.1.2020 – dem Tattag – zu laufen begonnen hatte (§ 33 Abs. 3 OWiG), wurde nur durch die Anordnung der Anhörung des Betr. am 17.2.2020 gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 OWiG unterbrochen. Damit trat mit Ablauf des 16.5.2020 (zur Fristberechnung siehe KK-OWiG/Ellbogen, 5. Aufl. 2018, § 31 Rn 35 f.) Verjährung ein, so dass der Eingang der Akten beim Amtsgericht am 1.7.2020 keine erneute Unterbrechung der Verjährung (§ 33 Abs. 1 Nr. 10 OWiG) bewirken konnte.
2. Die Verjährungsfrist war nicht gem. § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG unterbrochen worden. Eine wirksame Zustellung des Bußgeldbescheids v. 28.4.2020, die zwingende Voraussetzung für eine Unterbrechung der Verjährung nach dieser Vorschrift ist, lässt sich nicht feststellen.
a) Es ist nicht nachweisbar, dass die von der Bußgeldbehörde veranlasste Zustellung des Bußgeldbescheids an den Betr. (§ 51 Abs. 1 OWiG, § 3 LVwZG) ordnungsgemäß bewirkt wurde, da die Postzustellungsurkunde nicht in Rücklauf gelangt ist.
b) Der Zustellungsmangel wurde nicht gem. § 51 Abs. 1 OWiG, § 9 LVwZG geheilt.
aa) Es ist nicht feststellbar, dass dem Betr. das zuzustellende Schriftstück tatsächlich zugegangen ist. Aus dem Umstand, dass der Verteidiger des Betr. Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt hat, lässt sich dies nicht ableiten, da die Bußgeldbehörde – wie von § 51 Abs. 3 S. 3 OWiG vorgeschrieben – zugleich formlos eine Abschrift des Bußgeldbescheids an den Verteidiger übersandt hatte.
Es ist zwar durchaus wahrscheinlich, dass der Betr. – sollte ihn die Zustellung tatsächlich nicht erreicht haben – von seinem Verteidiger zumindest eine Kopie der an diesen übersandten Abschrift des Bußgeldbescheids erhalten hat. Der sichere Nachweis eines solchen Zugangs, wie er für eine Heilung erforderlich wäre, ist jedoch nicht zu führen, so dass es keiner Entscheidung bedarf, ob auf diese Weisung eine Heilung überhaupt hätte bewirkt werden können (vgl. etwa NK-VwVfG/Thomas Smollich, 2. Aufl., VwZG, § 8 Rn 6 m.w.N.; siehe auch BGH, Beschl. v. 12.3.2020 — I ZB 64/19, BeckRS 2020, 6358 Rn 21 ff., zu § 189 ZPO, dem die Vorschrift des § 9 LVwZG weitgehend angepasst wurde). Die bloße mündliche Überlieferung oder die schriftliche Mitteilung des Inhalts des Bußgeldbescheids genügen nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut und dem Gesetzeszweck nicht, um eine Heilung zu bewirken (vgl. BGH a.a.O. Rn 25).
bb) Von einer Heilung des Zustellungsmangels kann auch nicht deshalb ausgegangen werden, weil aufgrund der Einspruchseinlegung jedenfalls feststeht, dass entweder der Betr. den Bußgeldbescheid oder der Verteidiger eine Abschrift desselben erhalten hat. Mit dieser Erwägung könnte eine Heilung des Zustellungsmangels nur dann angenommen werden, wenn der tatsächliche Zugang der Abschrift des Bußgeldbescheids beim Verteidiger die Heilung der fehlerhaften Zustellung an den Betr. gem. § 51 Abs. 1 OWiG, § 9 LVwZG hätte bewirken können. Dies ist nicht der Fall.
Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob eine Heilung überhaupt dadurch eintreten kann, dass eine Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks einer anderen Person als derjenigen, an die die Zustellung gerichtet war, tatsächlich zugeht (so OLG Hamm, Beschl. v. 8.8.2017 – 3 RBs 106/17, juris Rn 28 f.; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29.4.2009 – Ss (Z) 205/2009 (37/09), juris Rn 10; a.A. OLG Celle, Beschl. v. 30.8.2011- 311 SsRs 126/11, juris, Rn 17 f.; OLG Celle, Beschl. v. 18.8.2015 – 2 Ss (OWi) 240/15, juris, Rn 12; OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.10.2013 – 4a Ss 428/13, juris Rn 11). Denn auch wenn man dies bejahen würde, käme als andere Person nur eine solche in Betracht, an die die Zustellung nach dem Gesetz hätte gerichtet werden können (OLG Hamm a.a.O. Rn 28). Eine solche Person war der Verteidiger nicht.
(1) An den gewählten Verteidiger kann gem. § 53 Abs. 3 S. 1 OWiG – kraft gesetzlich fingierter Zustellungsvollmacht – nur dann wirksam zugestellt werden, wenn sich – woran es hier fehlt – eine Urkunde über die Bevollmächtigung als Verteidiger bei den Akten befindet (vgl. BGH, Beschl. v. 24.10.1995 – 1 StR 474/95, juris Rn 4 ff.; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.3.1996 – 3 Ss 11/96, juris Rn 3 f.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.12.1987 – 3 Ss 599/87, juris Rn 5 f.). Daran vermag das Auftreten des Verteidigers gegenüber der Bußgeldbehörde ebenso wenig etwas zu ändern wie der Umstand, dass der Verteidiger mit Schreiben v. 6.3.2020, mit dem er seine Verteidigung angezeigt hat, eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung anwaltlich versichert hat (OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29.4.2009 – Ss (Z) 205/2009 (37/09), juris Rn 10; OLG Karlsruhe a.a.O. Rn 3).
(2) Es lässt sich auch ...