StVG § 21 Abs. 2 Nr. 1
Leitsatz
Zum Zulassen des Führens eines Kraftfahrzeugs ohne Fahrerlaubnis durch einen angestellten Autoverkäufer.
OLG Zweibrücken, Beschl. v. 8.10.2020 – 1 OLG 2 Ss 39/20
Sachverhalt
Das LG hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Zulassens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt, nachdem der Angeklagte durch das AG in erster Instanz freigesprochen worden war. Gegen die Verurteilung durch das BG wendet sich der Angeklagte mit seiner allein auf die Sachrüge gestützten Revision.
Das LG hat u.a. Folgendes festgestellt: "Der Angeklagte war als Verkäufer angestellt. In dieser Funktion war er berechtigt, in eigener Verantwortung selbstständig Fahrzeuge seines Arbeitgebers an Kunden für Probefahrten zu überlassen. So überließ er dem gesondert verfolgten K. in zwei Fällen Fahrzeuge zur Probefahrt. Der gesondert verfolgte K. verfügte bei beiden Probefahrten nicht über die zum Führen der Kraftfahrzeuge erforderliche Fahrerlaubnis. Dies nahm der Angeklagte jeweils bei Überlassen der Fahrzeuge zumindest billigend in Kauf."
Der Angeklagte habe selbst angegeben, dass er sich auch bei Stammkunden vor jeder Probefahrt ein Führerscheindokument im Original vorlegen lasse, da nur so sichergestellt werden könne, dass der Kunde nicht zwischenzeitlich die Fahrerlaubnis verloren oder ein Fahrverbot erhalten habe. Deshalb habe er das Risiko, dass K. keine Fahrerlaubnis haben könnte, erkannt. Auch seien dem Angeklagten sowohl die internen Vorschriften als auch deren Bedeutung und die gesetzlichen Grundlagen bekannt gewesen. Wenn er sich darüber hinwegsetze, zeige dies, dass er es billigend in Kauf genommen habe, dem K. die Probefahrten auch ohne gültige Fahrerlaubnis zu ermöglichen. Das Motiv für dieses Verhalten sei gewesen, dass der unter enormem Verkaufsdruck stehende Angeklagte dem K. ein Fahrzeug verkaufen und die dafür entfallende Provision verdienen wollte. Schließlich sei der K. dem Angeklagten auch keineswegs unbekannt gewesen.
Das OLG Zweibrücken hat das Urteil des LG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
2 Aus den Gründen:
"… II. Die getroffenen Feststellungen vermögen den Schuldspruch wegen einer vorsätzlich begangenen Tat des Zulassens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis nicht zu tragen."
1. Die vom LG getroffenen Feststellungen tragen die Annahme, dass der Angeklagte den fahrlässigen Tatbestand des § 21 Abs. 2 Nr. 1 StVG erfüllt hat. Danach steht fest, dass der Angeklagte zu den genannten Zeitpunkten dem gesondert verfolgten K. jeweils ein stark motorisiertes Kfz überließ, deren Halter sein Arbeitgeber, das (…) war, dessen Geschäftsführer, der Zeuge S., wiederum den Angeklagten ermächtigt hatte im Rahmen der internen Regelungen selbstständig Fahrzeuge für Probefahrten an Kunden zu überlassen. Der K., der keine gültige Fahrerlaubnis besaß, fuhr mit diesen Fahrzeugen auch eine nicht unerhebliche Strecke im öffentlichen Straßenverkehr. Weiter steht fest, dass der Angeklagte entgegen der ihm bekannten internen Anweisungen seines Arbeitgebers bei der Überlassung der Fahrzeuge keine Kopie von Vorder- und Rückseite eines körperlich vorgelegten Führerscheins anfertigte, sondern sich mit dem Abspeichern einer Fotodatei von der Vorderseite des zwischenzeitlich eingezogenen Führerscheins des K. begnügte.
Dass das LG dabei den Angeklagten gem. § 14 Abs. 2 S. 2 StGB für die Verfügungsgewalt über die Fahrzeuge des (…) im Rahmen von Probefahrten als ausdrücklich Beauftragten angesehen hat, begegnet keinen Bedenken. Für Zweifel an der Haltereigenschaft des (…) im Rahmen des § 21 Abs. 1 Nr. 2 StVG bot der Sachverhalt keinen Anlass, so dass hierzu vertiefte Ausführungen des LG nicht erforderlich waren (anders z.B. im Fall des KG, Beschl. v. 25.7.2017 – (6) 121 Ss 91/17 (32/17), juris, m. Anm. Krenberger, jurisPR-VerkR 6/2018 Anm. 6; AG Zweibrücken, NZV 2019, 270).
2. Als nicht hinreichend tragfähig erweisen sich indes die der Annahme einer vorsätzlichen Begehungsweise zugrunde gelegten Überlegungen. Die tatrichterliche Überzeugung, der Angeklagte habe tatsächlich gebilligt, dass der gesondert verfolgte K. die ihm überlassenen Fahrzeuge ohne die erforderliche Fahrerlaubnis fahren würde, ist nicht hinreichend belegt. Es erscheint anhand der Feststellungen gleichermaßen wahrscheinlich, dass er trotz der Außerachtlassung der gebotenen Vorsichtsmaßnahmen darauf vertraute, der K. werde schon eine Fahrerlaubnis besitzen, auch wenn er sie nicht in der gebotenen Weise nachgewiesen hat.
Die Rspr. des BGH legt für die Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit die sog. Einwilligungstheorie zugrunde, nach der vorsätzlich und nicht fahrlässig handelt, wer den Erfolg als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und dabei billigend in Kauf nimmt (vgl. BGH NStZ 1981, 23; 1984, NStZ 19; BGHSt 36, 1, 9; BGH NStZ 1998, 616 mit Anm. Roxin; BGH NStZ 2008, 451), verlangt also – in unterschiedlich strenger Ausprägung – ein voluntatives Element (deutlich BGH NStZ-RR 2008, 239; zu Vorstehendem insgesamt BeckOK StGB/Kudlich, 47. Ed. 1.8.2020, StGB...