Es gibt genügend Weisheiten, die in der Krise Mut machen sollen und den gedrückten Blick aufrecht in die Zukunft richten lassen wollen:
"In jedem Ende steckt immer auch Anfang"
"Aus Schaden wird man klug"
"Nach dem Spiel ist vor dem Spiel"
So werden auch das Verkehrsrecht und die mit dem Verkehrsrecht befassten Personen positiv auf das gestimmt, was nach der Corona-Pandemie bleibt und was danach besser wird. Das Editorial einer schadensrechtlichen Zeitschrift richtet den Blick – naturgemäß durch die Verkehrsrechtsbrille gefärbt und bisweilen auch getrübt – auf die spezifisch mit dem Straßenverkehr zusammenhängenden Aspekte, auch wenn sich erfahrungsgemäß als gut empfundene berufliche Veränderungen auch auf die private Gesamtsituation angenehm auswirken.
Die eingeführten technischen Verbesserungen in der Kanzlei und bei Gericht mit den damit verbundenen Möglichkeiten werden bleiben. Aber auch das Kommunikationsverhalten verändert sich: Eine telefonische Besprechung oder eine Videokonferenz erfordern ein höheres Maß an Disziplin und Verschlankung verbunden mit einer Komprimierung. Damit einher geht eine Ersparnis an Zeit, die anders, sinnvoller oder nachhaltiger genutzt werden kann. Auch die Mandanten müssen ihre Zeit nicht mehr für Fahrwege, überlange Wartezeiten im Wartezimmer der Rechtsanwaltskanzlei und allenfalls am Stundensatz der Beauftragten orientierten Besprechungen verwenden.
Die Verkehrslast des Anwaltes oder zum Anwalt geht zurück. Jeder eingesparte Weg zum Gericht oder in die Kanzlei bewirkt eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes, aber auch weniger Verkehr. Der Coronaknick durch weniger Verkehr macht sich nicht nur bei den eigenen zurückgelegten Kilometern bemerkbar, er zeigt sich seit Längerem in dem geringeren Verkehrsaufkommen, weniger Unfällen und Bußgeldverfahren und daraus resultierend direkt proportional niedrigeren Mandatszahlen, was sich für viele auf das Verkehrsrecht spezialisierte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte schmerzhaft finanziell bemerkbar macht.
Der Verkehr verändert sich aber auch: Das Fahrrad und der Elektroscooter werden bevorzugt, wenn sonst sportliche Betätigung oder Freizeitgestaltung eingeschränkt ist, auch der Fußweg ist eine willkommene Abwechslung bei der sonst auferlegten Kontaktbeschränkung. Gleichzeitig sinkt der Autoverkehr, von öffentlichen Verkehrsmitteln, Zügen oder Flugzeugen ganz zu schweigen.
Was bleibt, wenn das Virus geht? Eine ein Jahr lang unfreiwillig geübte Zurückhaltung bei der Nutzung motorisierten Verkehrs wird nicht nach überstandener Pandemie und Einschränkungen zu einem Rückgriff auf das Auto in gleichem Maße führen. Veränderungen beginnen immer mit dem ersten Schritt. Wer bemerkt hat, dass Fortbewegung auch auf andere Weise geschehen kann als mit dem Auto, wird dieses neu erlernte Verhalten nicht sofort wieder verlernen, sondern bereit sein, dies beizubehalten.
Auf der anderen Seite bringt ein überwundenes Virus auch ein Gefühl, Verlorenes nachzuholen. Reisen, Treffen, Freiheiten genießen, all dies lässt sicher die Unvernunft das ein oder andere Mal überhand gewinnen. Dass die Unvernunft kein guter Berater bei der Teilnahme am Straßenverkehr ist, bedarf keiner näheren Erläuterung.
Reisen, Treffen, Freiheiten genießen ist auch das, was die Verkehrsrechtsfamilie nachzuholen hat. Gerade erst hat der virtuelle Verkehrsgerichtstag in Goslar gezeigt, was fehlt. Die Hoffnung auf einen hybriden Verkehrsanwaltstag in Hamburg am 23. und 24.4.2021 ist berechtigt. Dass auch dort die Unvernunft das ein oder andere Mal die Überhand gewinnen könnte, ist nicht auszuschließen.
Autor: Christian Funk
RA Christian Funk, FA für Verkehrsrecht, Saarbrücken
zfs 2/2021, S. 61