VVG § 186; AUB Nr. 2.1.1.1
Leitsatz
Enthält bei zwei aufeinanderfolgenden Unfällen eine eindeutig nur dem ersten Unfallereignis zugeordnete Invaliditätsbescheinigung auch Angaben zu Schäden, die aus dem zweiten Unfallereignis resultieren, liegt darin keine Invaliditätsfeststellung im Sinne von Nr. 2.1.1.1 AUB bezüglich der Schäden aus dem zweiten Unfallereignis.
OLG Frankfurt, Urt. v. 17.11.20217 – U 24/20
Sachverhalt
Der Kl. begehrt von der Bekl. Leistungen aus einer Unfallversicherung wegen eines behaupteten Unfallereignisses vom XX.01.2010 und daraus resultierender Verletzungen des linken Daumens.
Ziff. 2.1.1.1 AL-AUB 2002 ("Voraussetzungen für die Leistung") lautet:
Die versicherte Person ist durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt (Invalidität).
Die Invalidität ist
– Innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und
– Innerhalb von 21 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und von Ihnen bei uns geltend gemacht worden.
Der Kl. meldete den behaupteten Unfall vom XX.01.2010 mittels eines ausgefüllten Formulars der Bekl.
Mit Schreiben vom 3.3.2010 teilte die Bekl. dem Kl. daraufhin die dem Vorgang zugeordnete Schadennummer mit und führte zu den Invaliditätsfristen i.S.v. § 186 VVG unter Bezugnahme auf Ziff. 2.1.1.1 AL-AUB 2002 aus, dass die versicherte Person durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sein müsse. Am 29.12.2010 reichte der Kl. zwar ein handschriftlich ausgefülltes Formular "Fragebogen Invalidität" bei der Bekl. ein. Dieses trägt allerdings eine andere Schadennummer und ein anderes Unfalldatum, nämlich die Schadendaten zu einem weiteren, nicht mehr streitgegenständlichen Unfall vom XX.04.2009, bei dem der Kl. sich an der Schulter verletzte. Bei den Angaben des Kl. zu den Unfallfolgen beschreibt dieser stichwortartig Schulterbeschwerden. Der zuletzt behandelnde Arzt führt darin handschriftlich als Dauerfolgen "Chronische Reizung ACG" und eine Diagnose an, die trotz unklaren Schriftbilds zumindest auch als "Instabilität Daumengrundgelenk" gelesen werden kann. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage BLD 6, Bl. 74 d.A., Bezug genommen. In der Folgezeit reichte der Kl. keine weiteren Unterlagen bei der Bekl. mit Bezug zu dem Unfallereignis vom XX.01.2010 mehr ein.
Der Kl. hat vorgetragen, er habe sich am XX.01.2010 am linken Daumen verletzt, indem er von einem Tennisschläger an der Hand getroffen worden sei. Es sei zu einer Bone Bruise, einer Impressionsfraktur des Kopfes des ersten Mittelhandknochens linksseits und einer Kapselsprengung des Daumengrundgelenks links gekommen. Aufgrund dessen habe er dauerhaft ein Instabilitätsgefühl sowie Schmerzen bei Ausübung von Druck über den Daumen. Feinmotorische Belastungen, wie sie der Kl. im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Berufl bzw. seiner fachspezifischen Tätigkeit im Bereich der ästhetischen Chirurgie vornehmen müsse, seien eingeschränkt. Die unfallbedingte Beeinträchtigung betrage 2/10 des Daumenwertes.
2 Aus den Gründen:
Der Kl. ist mit der Leistung ausgeschlossen, weil die vertraglich vereinbarte Feststellungsfrist nicht gewahrt ist. Die Wirksamkeit der den AUB 2000 entsprechenden Fristenregelung in Ziff. 2.1.1.1 AL-AUB 2002 ist in der Rechtsprechung geklärt (BGH, VersR 2012, 1113).
Das LG hat zunächst zutreffend festgestellt, als fristgerechte Invaliditätsfeststellung komme nur der "Fragebogen Invalidität" vom 29.12.2010 in Betracht. Hierüber besteht auch kein rechtlicher Streit. Die Angaben im "Fragebogen Invalidität" sind jedoch nicht ausreichend, um dem Sinn und Zweck der Fristenregelung in Ziff. 2.1.1.1 AL-AUB 2002 zu genügen. Die Invaliditätsbescheinigung soll dem Versicherer Gelegenheit geben, dem geltend gemachten Versicherungsfall nachzugehen und seine Leistungspflicht auf Grundlage der ärztlichen Feststellung zu prüfen (vgl. BGH VersR 2007, 1114). Versicherungsfall ist bei der Unfallversicherung aber stets das bestimmte Unfallereignis, nicht der daraus resultierende Dauerschaden. Hierin unterscheidet sich die Unfallversicherung gerade von der Invaliditätsversicherung. Bei ersterer stellt der Unfall den Versicherungsfall dar und die Leistungspflicht wird durch die Unfallfolgen lediglich konkretisiert, während bei letzterer die Invalidität als solche die versicherte Gefahr darstellt (BGH, NJW 1955, 419). Der Inhalt der Invaliditätsbescheinigung muss daher dem Versicherer eine Überprüfung ermöglichen, ob sich die Invalidität einem bestimmten Unfall zuordnen lässt.
Vorliegend erfüllten die Angaben im Fragebogen vom 29.12.2010 diesen Zweck nur insoweit, als sie dem Versicherer eine Überprüfung des Versicherungsfalles vom XX.04.2009 ermöglichten. Nur hierauf bezogen stellten die Angaben eine Verbindung zwischen einem bestimmten Unfallereignis mit den darin angegebenen Unfallfolgen her. Aufgrund der Angaben in dem Schadenformular hatte die Bekl. nur Anlass zur Prüfung, ob die angegebenen Unfallfolgen eine mögliche Folge des Unfallereignisses vom ...