VV RVG Vorbem. 3 Abs. 2 Nrn. 3506 3507 3201; RPflG § 11, ZPO § 104 § 567
Leitsatz
1. Ein Fall der "vorzeitigen Beendigung" des Auftrages nach Nr. 3507 VV RVG liegt vor, wenn die Voraussetzungen der Nr. 3201 VV RVG vorliegen.
2. Wenn das Gericht entschieden hat, kommt eine "vorzeitige Beendigung" in diesem Sinne nicht mehr in Betracht.
LAG Köln, Beschl. v. 29.4.2021 – 6 Ta 215/20
Sachverhalt
Der Kläger hatte vor dem ArbG Bonn Ansprüche auf Zahlung von Entgelt und Urlaubsabgeltung gegen die Beklagte geltend gemacht. Gegen das seine Klage abweisende Urteil hat der Kläger beim LAG Köln Berufung eingelegt, die zurückgewiesen wurde. In seinem Urteil hat das LAG die Revision nicht zugelassen. Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 2.10.2019 beim BAG Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 4.11.2019 begründet. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben beim BAG den Schriftsatz vom 23.10.2019 eingereicht, der keinen Sachantrag oder Sachvortrag enthielt und in dem es dort unter anderem heißt: "… bestellen wir uns zu Prozessbevollmächtigten der Beklagten, Berufungsbeklagten und nunmehrigen Beschwerdegegnerin."
Das BAG hat die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zurückgewiesen und ihm die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt. Hieraufhin hat die Beklagte die Festsetzung folgender Anwaltskosten beantragt:
1. 1,6 Verfahrensgebühr, Nr. 3506 VV RVG |
321,60 EUR |
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
Summe: |
341,60 EUR |
Der Rechtspfleger des ArbG Bonn hat dem Antrag durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 9.4.2020 in vollem Umfang entsprochen.
Mit seiner hiergegen gerichteten "befristeten Erinnerung" hat der Kläger geltend gemacht, die festgesetzte Gebühr sei "unbegründet bzw. falsch". Der Anfall der Verfahrensgebühr nach Nr. 3506 VV RVG setze das Stellen von Sachanträgen voraus, die nicht eingereicht worden seien. Außerdem hat er Zweifel an der Bestellung der Prozessbevollmächtigten der Beklagten geäußert. Deshalb sei es allenfalls gerechtfertigt, eine 1,1 Verfahrensgebühr festzusetzen.
Das LAG Köln hat die befristete Erinnerung als sofortige Beschwerde ausgelegt und diese zurückgewiesen.
2 Aus den Gründen:
Zitat
… . II. Die als sofortige Beschwerde auszulegende "befristete Erinnerung" des Klägers ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
1. Da der Beschwerdegegenstand den Wert von 200,00 EUR überschreitet, ist die befristete Erinnerung unzulässig. Sie war umzudeuten in eine sofortige Beschwerde … .
2. Die sofortige Beschwerde des Klägers bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat dem angegriffenen Beschluss zurecht die Nr. 3506 VV RVG zugrunde gelegt, ein Fall der vorzeitigen Beendigung des Auftrages im Sinne der Nr. 3507 VV RVG liegt nicht vor.
a. Die 1,6-Gebühr der Nr. 3506 VV RVG ist mit der auftragsgemäßen Bestellung der Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Schriftsatz vom 23.10.2019 entstanden. Der Kläger hat nämlich mit dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 2.10.2019 beim BAG eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 4.11.2019 begründet. Der Bestellungsschriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Beklagten ist im Zeitraum zwischen der Einlegung der Beschwerde und der Begründung derselben mit Schriftsatz vom 23.10.2019 erfolgt. Dies kann nicht mehr streitig sein, denn dies ergibt sich aus der beigezogenen Beschwerdeakte des BAG. Eines Sachantrages oder gar einer Begründung bedurfte es für das Entstehen der Gebühr nicht. Die Verfahrensgebühr entsteht mit dem Auftrag des Mandanten. Die Entstehung setzt voraus, dass der Rechtsanwalt in Erfüllung seines Auftrages im Beschwerdeverfahren in irgendeiner Weise tätig geworden ist (Gierl/Maué in: Mayer/Kroiß, RVG 7. Auflage Nrn 3200–3205 VV Rn 2). Das ist hier geschehen durch die Absendung des Bestellungsschriftsatzes.
b. Es liegt kein Fall der "vorzeitigen Beendigung des Auftrages" im Sinne der Nr. 3507 VV RVG vor, der die Reduzierung der Gebühr auf 1,1 rechtfertigen könnte. Was unter einem Fall der "vorzeitigen Beendigung" zu verstehen ist, ergibt sich aus der Nr. 3201 VV RVG, auf die die Nummer 3507 VV RVG Bezug nimmt. Dort heißt es wörtlich:
(1) Eine vorzeitige Beendigung liegt vor,
1. wenn der Auftrag endigt, bevor der Rechtsanwalt das Rechtsmittel eingelegt oder einen Schriftsatz, der Sachanträge, Sachvortrag, die Zurücknahme der Klage oder die Zurücknahme des Rechtsmittels enthält, eingereicht oder bevor er einen gerichtlichen Termin wahrgenommen hat, oder
2. soweit Verhandlungen vor Gericht zur Einigung der Parteien oder der Beteiligten oder mit Dritten über in diesem Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche geführt werden; der Verhandlung über solche Ansprüche steht es gleich, wenn beantragt ist, eine Einigung zu Protokoll zu nehmen oder das Zustandekommen einer Einigung festzustellen (§ 278 Abs. 6 ZPO).
Hier liegt eine vorzeitige Beendigung im vorgenannten Sinn schon deshalb nicht vor, weil von "vorzeitig" nicht die Rede sein kann. Der Auftrag endete nämlich durch eine Entscheidung des...