Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass sich die Vorschadensproblematik mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15.10.2019 – VI ZR 377/18 – keineswegs erledigt hat.
Ist ein vorgeschädigtes Fahrzeug durch einen Unfall erneut beschädigt worden, so muss der Geschädigte, will er die gutachterlich kalkulierten Reparaturkosten, den kalkulierten Minderwert, den vom Gutachter ermittelten Rest- oder Wiederbeschaffungswert uneingeschränkt berücksichtigt sehen, darlegen und beweisen, dass sein Wagen vor dem Unfall ordnungsgemäß repariert war. Das Erfordernis folgt aus dem Schadensbegriff. Denn nach diesem ergibt sich der Schaden aus einem Vergleich der Vermögenslagen vor und nach dem schädigenden Ereignis. Beruht die Kalkulation des Sachverständigen aber auf der Annahme, dass ein unbeschädigtes Fahrzeug beschädigt worden und wiederhergestellt werden muss, so muss der Geschädigte zur Begründung seines Schadens auch darlegen und erforderlichenfalls beweisen, dass sein Fahrzeug einem unbeschädigten gleichstand, im Falle eines Vorschadens, dass es also ordnungsgemäß und vollständig repariert worden ist.
Für die Überzeugungsbildung genügt es allerdings, dass das Gericht diese Tatsache für überwiegend wahrscheinlich hält, § 287 ZPO (OLG Bremen v. 30.6.2021 – 1 U 90/19; OLG Köln v. 1.10.2020 – 12 U 74/20; OLG Düsseldorf v. 10.7.2012 – 1 W 19/12). Das Gericht ist hier in der Beweiswürdigung relativ frei. Es muss seine Überzeugung zwar auf greifbare Tatsachen stützen und nachvollziehbar begründen. Damit ist aber nicht gesagt, dass es dazu die Reparatur im Einzelnen nachvollziehen müsste. Wie gesagt, es kommt auf das Ergebnis an.
Ungeachtet dessen haben eine Reihe von Oberlandesgerichten in der Vergangenheit in den Fällen der Überlagerung hohe Anforderungen an die Darlegung des Fahrzeugzustandes vor dem schädigenden Ereignis gestellt. Mit der bloßen Behauptung, Vorschäden seien fachgerecht behoben worden, genüge der Geschädigte seiner Darlegungslast regelmäßig nicht; vielmehr soll er verpflichtet sein, zu deren Art und Umfang vorzutragen und substantiiert darzulegen und zu beweisen, dass die Vorschäden vor dem erneuten Unfallereignis repariert und auch sach- und fachgerecht behoben worden sind. Noch wertergehend wird von dem Geschädigten teilweise verlangt, dass er den konkreten Reparaturweg unter Angabe der einzelnen Reparaturschritte und der tatsächlich vorgenommenen Arbeiten darlegt (OLG Jena a.a.O., m.w.N.).
Der BGH hat dieser Rechtsprechung in seinem Maserati-Beschluss Grenzen gesetzt (BGH v. 15.10.2019 – VI ZR 377/18). Danach kann jedenfalls dem Geschädigten, der von einem Vorschaden selbst keine Kenntnis und den beschädigten Pkw in unbeschädigtem Zustand erworben hat, nicht verwehrt werden, eine von ihm nur vermutete fachgerechte Reparatur des Vorschadens zu behaupten und unter Zeugenbeweis zu stellen.
Das OLG Jena scheint der Auffassung zu sein, diese Rechtsprechung habe über den von dem BGH entschiedenen Fall, in dem es tatsächlich um die Beweisnot eines Käufers ging, der seinen Gebrauchtwagen in der Vorstellung erworben hatte, ein unfallfreies Fahrzeug zu kaufen, keine Bedeutung. Das hätte zur Folge, dass es für die übrigen Fallgruppen bei den hohen Anforderungen der bisherigen OLG-Rechtsprechung bleiben könnte.
Dies dürfte nicht richtig sein. Die wesentliche Botschaft des Maserati-Beschlusses liegt in dem Hinweis, dass sachlich nicht gerechtfertigte Substantiierungsanforderungen den Anspruch auf rechtliches Gehör zu beeinträchtigen vermögen (zutr. Schulz NJW 2020, 394). Die sachliche Rechtfertigung von Substantiierungsanforderungen hat aber etwas mit den realen Möglichkeiten der Parteien zu tun. Einer Partei sollen keine Auskünfte abverlangt werden, die sie bei redlicher Betrachtung nicht erteilen kann. Ausdrücklich hat der BGH festgestellt, dass es vom jeweiligen Kenntnisstand der Partei abhängt, wie weit sie ihren Sachvortrag substantiieren muss (BGH v. 15.10.2019 – VI ZR 377/18, juris Rn. 16 m.w.N.).
Dem Geschädigten, in dessen Besitzzeit sich auch der Vorschaden ereignet hat, wird man daher in Fortführung der älteren OLG-Rechtsprechung substantiierte Angaben zu dessen Reparatur abzuverlangen können. Hat sich der Vorschaden dagegen vor Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch den klagenden Geschädigten ereignet, kommt es auf dessen Kenntnisstand an. Hatte der Geschädigte bis zu seinem Unfall von dem Vorschaden keine Kenntnis und hat das Fahrzeug in dem Glauben erworben, es sei unfallfrei, so gilt das vom BGH in der Maserati-Entscheidung Gesagte: Ihm können substantiierte Darlegungen zu Art und Umfang der Reparatur nicht abverlangt werden. Hat der Geschädigte um den Vorschaden gewusst, dürfte dagegen zu differenzieren sein: Hat er bei Erwerb auch Kenntnis von Art und Umfang der Reparaturen erhalten oder kann sich diese noch in zumutbarer Weise verschaffen, wird das Gericht auch eine entsprechende Substantiierung verlangen können. Hat der Geschädigte aber bei Erwerb keine entsprechenden Informationen erhalten u...