RVG § 11 Abs. 1 § 3 Satz 2, Abs. 5 Satz 1; VwGO § 146 Abs. 1 § 151 § 165
Leitsatz
1. Allein die Erhebung einer nicht gebührenrechtlichen Einwendung oder Einrede führt gem. § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG zur Ablehnung der Vergütungsfestsetzung. Eine schlüssige Darlegung ist somit nicht erforderlich.
2. Der Einwand des Antragsgegners, der den Vergütungsfestsetzungsantrag stellende Rechtsanwalt habe "seine Forderungen zur Zahlung stets erhalten", reicht für sich betrachtet mangels Bezugnahme auf ein bestimmtes Verfahren noch nicht aus.
3. Der Hinweis des Antragsgegners, Belege für die Zahlung seien beigefügt und die Vorlage von kopierten Banküberweisungen mit entsprechenden Einzelbeträgen führt jedoch in Höhe der nachgewiesenen Zahlungsbeträge zu einer Ablehnung der Vergütungsfestsetzung.
4. Ob diese Zahlungen auf die Vergütung des Antragstellers aus einer außergerichtlichen Tätigkeit angerechnet werden durften oder ob diese auf die verfahrensgegenständliche gerichtliche Tätigkeit anzurechnen sind, ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht zu prüfen. (Leitsätze der Schriftleitung)
Bay. VGH, Beschl. v. 4.10.2021 – 4 C 21.1934
Sachverhalt
Die für den Kläger in einem Rechtsstreit vor dem VG München tätig gewesenen Prozessbevollmächtigten hatten am 18.12.2019 unter Vorlage ihrer Vergütungsberechnung vom 12.5.2016 die Festsetzung der Vergütung gem. § 11 RVG in Höhe von insgesamt 1.926,97 EUR beantragt. Im Laufe des Vergütungsfestsetzungsverfahrens hat der Antragsgegner mit Schreiben vom 1.2.2020 vorgebracht, der auf Seiten der Antragsteller tätig gewordene Rechtsanwalt habe "seine Forderung zur Zahlung stets erhalten". Ergänzt wurde dieses Vorbringen mit der weiteren Aussage: "Wir haben Ihnen hier auch die Belege mit beigefügt". Beigefügt waren dem Schreiben kopierte Banküberweisungen aus den Jahren 2013 und 2014 mit Einzelbeträgen von 281,89 EUR, 500 EUR und 214,20 EUR. Diese Zahlungen waren als solche zwischen den Beteiligten des Vergütungsfestsetzungsverfahrens unstreitig. Aus der Vergütungsberechnung der Antragsteller vom 12.5.2016 ging hervor, dass diese Zahlungen auf eine Vergütungsforderung für eine außergerichtliche Tätigkeit angerechnet wurden, sodass der Vergütungsanspruch aus der gerichtlichen Tätigkeit hiervon unberührt blieb.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des VG München hat – soweit hier von Interesse – dem Vergütungsfestsetzungsantrag antragsgemäß in Höhe von 1.926,97 EUR entsprochen. Den hiergegen gerichteten Antrag des Antragsgegners auf gerichtliche Entscheidung (Erinnerung) hat das VG München zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde hatte beim Bay. VGH teilweise Erfolg.
2 Aus den Gründen:
Zitat
…1. Die gemäß § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragsteller gegen den nach § 11 Abs. 3 Satz 2 RVG i.V.m. §§ 165, 151 VwGO ergangenen Erinnerungsbeschluss des Verwaltungsgerichts ist teilweise begründet. Die von den Antragstellern am 18.12.2019 nach § 11 Abs. 1 Satz 1 RVG beantragte Vergütungsfestsetzung in Höhe von insgesamt 1.926,97 EUR war – entgegen der mit der Erinnerung angegriffenen Entscheidung des Urkundsbeamten … nicht in vollem Umfang gemäß § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG wegen einer außergebührenrechtlichen Einwendung des Antragsgegners abzulehnen.
a) Nach § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG genügt grundsätzlich schon die bloße Erhebung einer nichtgebührenrechtlichen Einwendung oder Einrede, um die Titulierung der anwaltlichen Vergütung im Festsetzungsverfahren auszuschließen; eine schlüssige Darlegung ist dabei nicht erforderlich (vgl. BayVGH, B. v. 23.8.2012 – 22 C 12.1418 – BayVBl 2013, 639 Rn 20 m.w.N.). Anderes gilt aber, wenn der nichtgebührenrechtliche Einwand offensichtlich haltlos, gleichsam "aus der Luft gegriffen" ist oder wenn er erkennbar rechtsmissbräuchlich eingesetzt wird (BayVGH, a.a.O.; OVG NW, B. v. 22.6.2020 – 4 E 180/19 – juris Rn 2; BVerfG, B. v. 25.4.2016 – 1 BvR 1255/14 – Rn 3 m.w.N.). Die Einwendung darf sich nicht in einer abstrakten Rechtsbehauptung oder in einer bloßen Unmutsäußerung über die anwaltliche Tätigkeit des Anspruchstellers erschöpfen, sondern muss an bestimmte Gegebenheiten des dem Festsetzungsverfahren vorangegangenen Gerichtsverfahrens bzw. an näher bezeichnete Aspekte der dieses Verfahren betreffenden anwaltlichen Tätigkeit anknüpfen, so dass erkennbar wird, aus welchem konkreten Lebenssachverhalt der Anspruchsgegner eine Einwendung oder Einrede gegen die Honorarforderung herleitet (BayVGH, a.a.O., Rn 22 m.w.N.).
b) Hieran gemessen hat der Antragsgegner hinsichtlich eines Teilbetrags des behaupteten Gebührenanspruchs eine im Festsetzungsverfahren beachtliche Einwendung erhoben. Zwar reichte dazu die in seinem Schreiben vom 1.2.2020 enthaltene allgemeine Aussage, der auf Seiten der Antragsteller tätig gewordene Rechtsanwalt habe "seine Forderungen zur Zahlung stets erhalten", für sich betrachtet mangels Bezugnahme auf ein bestimmtes Verfahren noch nicht aus. Mit der weiteren Aussage "Wir haben Ihnen hier auch die Belege mit beigefügt" und der Vorlage von (kopierten) Banküberw...