[9] 1. Zutreffend hat das BG allerdings angenommen, dass der Kl. – vorbehaltlich eines Wegfalls der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) – ein Anspruch auf teilweise Rückzahlung der Invaliditätsleistung zusteht, der durch Ziff. 9.4 AUB 2008 nicht ausgeschlossen ist.
[10] a) Entgegen der Auffassung des BG folgt dieser Anspruch allerdings nicht aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB, sondern aus § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB. Ergibt die Neubemessung einen geringeren Invaliditätsgrad als die Erstbemessung, fehlte es hinsichtlich des überzahlten Betrags nicht bereits ursprünglich an einem Rechtsgrund für die Auszahlung der Invaliditätsleistung. Erst durch die Neubemessung ist für die Invalidität nicht mehr auf die – vorliegend nicht angegriffene – Prognose zum Zeitpunkt des Ablaufs der Invaliditätseintrittsfrist und damit hier auf den 17.11.2015 abzustellen (vgl. Senat BGHZ 208, 9 Rn 19), sondern auf den Zeitpunkt bis zum Ende des dritten Jahres nach dem Unfall (vgl. Senat VersR 2009, 920 Rn 13 …). Der Rechtsgrund fällt erst nachträglich weg, so dass der Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB folgt (vgl. MüKo-VVG/Dörner, 2. Aufl. § 188 Rn 12; Jungermann, r+s 2019, 369, 374, 377 f. …).
[11] b) Anders als die Revision meint, war vorliegend die Neubemessung der Invalidität zu Lasten des Bekl. mit der Folge eines Rückforderungsanspruchs der Kl. nicht deshalb ausgeschlossen, weil sich Letztere im Schreiben vom 7.9.2016 nicht selbst die Neubemessung vorbehalten hatte.
[12] aa) Allerdings ist umstritten, ob der Unfallversicherer bei einer Klauselfassung wie in Ziff. 9.4 AUB 2008 an einer Rückforderung der Invaliditätsleistung gehindert ist, wenn dieser sich bei der Erstbemessung selbst nicht die Neubemessung vorbehalten hat und sich erst aufgrund eines vom VN initiierten Neubemessungsverfahrens ergibt, dass sich dessen Gesundheitszustand im Vergleich zur Erstbemessung verbessert hat.
[13] Teilweise wird vertreten, eine Rückforderung durch den VR sei in diesem Fall ausgeschlossen (OLG Düsseldorf VersR 2019, 87; OLG Frankfurt VersR 2009, 1653 …).
[14] Die überwiegende Auffassung – wie auch das BG – nimmt dagegen für die vorbeschriebene Konstellation an, dass der VR durch eine Ziff. 9.4 AUB 2008 entsprechende Regelung nicht an der anteiligen Rückforderung der Invaliditätsleistung gehindert ist (OLG Brandenburg VersR 2018, 89; OLG Oldenburg r+s 1998, 349; Grimm/Kloth, AUB 6. Aufl. Ziff. 9 Rn 57 …).
[15] bb) Die letztgenannte Ansicht trifft zu. Das ergibt die Auslegung von Ziff. 9.4 AUB 2008.
[16] (1) AVB sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den VN erkennbar sind (…).
[17] (2) (a) Bei der Beurteilung der Frage, wie sich eine von ihm beantragte Neubemessung auswirken kann, wenn sich der VR selbst die Neubemessung nicht bei der Erstbemessung vorbehalten hat, wird sich der VN zunächst am Wortlaut von Ziff. 9.4 AUB 2008 orientieren. Er wird erkennen, dass sowohl er als auch der VR berechtigt sind, innerhalb dort genannter Fristen den Grad der Invalidität "erneut ärztlich bemessen zu lassen". Wie die Revisionserwiderung zu Recht ausführt, wird er dies so verstehen, dass die Invalidität in alle Richtungen neu bemessen wird und nicht lediglich eine Veränderung zugunsten desjenigen, der die Neubemessung initiiert hat, Berücksichtigung finden kann. Eine derartige Einschränkung enthält der Wortlaut der Klausel nicht. Darüber hinaus wird der VN dem Wortlaut der Ziff. 9.4 AUB 2008 entnehmen, dass der VR sein Recht auf Neubemessung zusammen mit der Erklärung über seine Leistungspflicht nach Ziff. 9.1 AUB 2008, also mit der Erstbemessung, ausüben muss, während der VN dieses Recht noch längstens bis zu drei Jahren nach dem Unfall ausüben kann. Auf die Frage, welche Folgen es hat, wenn diese Neubemessung eine geringere Invalidität als die Erstbemessung ergibt, wird der VN im Wortlaut der Ziff. 9.4 AUB 2008 keine ausdrückliche Antwort finden (vgl. Jacob, Unfallversicherung AUB 2020 3. Aufl. Ziff. 9 Rn 113 …).
[18] (b) Aus dem für ihn erkennbaren Zweck und Sinnzusammenhang der Klausel wird dem VN aber deutlich, dass für die Bemessung seiner Invaliditätsleistung die zuletzt innerhalb des Dreijahreszeitraums durchgeführte Neubemessung maßgeblich ist, und zwar unabhängig davon, wer diese beantragt hat (…). Er wird annehmen, dass ihm im Falle einer Verschlechterung seines Gesundheitszustands gegenüber der Erstbemessung eine höhere Invaliditätsleistung zustehen wird. Ebenso wird er bei verständiger Würdigung erkennen, dass sich die Invaliditätsleistung auch v...